ÖTV kritisiert SPD-Politiker

■ Streik-Kundgebung auf dem Marktplatz / Lehrer und Kita-Personal kamen

„Wir begrüßen die Kollegen von KSB“, „Wir begrüßen die Kolleginnen und Kollegen vom Schulzentrum Horn“, Wir begrüßen ...“ Immer wieder von zustimmenden Trillerpfeiffen unterbrochen begrüßten die Lautsprecher die Neuankömmlinge auf dem Bremer Marktplatz, Fahnen der GEW und der ÖTV flatterten im Wind.

„Bei uns im Schulzentrum“, erzählte ein Lehrer in kleiner Runde, „hat der Hausmeister die Nacht-Alarmanlage nicht ausgeschaltet.“ Da blieb eben die Schule am Mittwoch dicht. Am Donnerstag kamen noch 30 von 600 Schülern. Am Donnerstag hatte die GEW an allen Schulen zusammen mit der ÖTV den Streik ausgerufen. Am Schulzentrum Lerchenstraße hatte der Hausmeister mitgeteilt, Sicherheitsanlagen seien angeschaltet, Fluchtwege nicht gekennzeichnet, wichtige elektrische Anlagen aus — „überprüft haben wir's nicht“, sagt ein Lehrer, augenzwinkernd war der Schulbetrieb abgesagt worden. Auf dem Marktplatz ließen die Angestellten unter den Lehrern sich dann in die gewerkschaftlichen Streiklisten eintragen. Das größte Gedränge auf dem Marktplatz herrschte in der Ecke, in der die ÖTV ihre „Kontrollkarten“ austeilte und mit den gewerkschaftlichen Stempeln versah — da muß vorbei, wer Streikgeld haben will.

Jan Bücking, der GEW-Vorsitzende streift die Bundespolitik — Motto: Wir wollen uns nicht die Folgen einer verfehlten Finanzpolitik aufbürden lassen —, um dann schnell auf bremische Verhältnisse zu kommen: Die Raumpflegerinnen sollen mehr arbeiten, Gruppen in Kitas und Schulen sollen vergrößert werden, die Lehrer sollen mehr Stunden arbeiten — „Wir sind hier, um der Bundesregierung und dem Bremer Senat zu zeigen, daß wir uns nicht alles gefallen lassen: Uns reichts.“

Der IG Medien-Kreisvorsitzende Kurt Müller überbrachte „zum Zeichen des Dankes und der Solidarität“ die Nachricht, daß in seiner Firma, der Bretag, auch gestreikt werde. „Es ist allen klar, daß hier ein politischer Streik geführt wird“, kam er dann zum Punkt. „Es geht hier nicht um Lohnprozente.“

Harald Wohlleben von der ÖTV bedankte sich bei den Müttern, deren Kinder seit Tagen nicht in die Kita gehen können. Es gehe auch um die unteren Lohngruppen, die vor allem Frauen beträfen — die Frauenfrage stünde im Zentrum des tarifpolitischen Machtkampfes. Verwundert äußerte sich Wohlleben darüber, „daß offenbar Heide Simonis dies nicht begreift“. Der niedersächsische SPD-Politiker Bruns sei so unzufrieden über die Schleswig- Holsteinische Verhandlungsführerin, daß er angedroht habe, Niedersachsen solle ihr das Verhandlungsmandat entziehen, berichtete Wohlleben. An den Tarifkampf in den 70er Jahren, der das Ende der Ära Brandt einläutete, anspielend meinte Wohlleben, es könne passieren, daß Kohl und Brandt „das gleiche Schicksal erleiden“.

„Wir sind uns mit der Polizei einig“, erklärte schließlich ÖTV- Sekretär Wohlleben, „daß hier 10.000 auf dem Marktplatz sind.“ Die Polizei meldete später nur noch 4000.

Im Tonfall war die Rede Wohllebens deutlich kämpferischer als die Stimmung auf dem Platz. Als das „Keiner schiebt uns weg“ intoniert wurde, summte Wohlleben, die Zigarette locker im Mund, mit.

Einer der Lehrer auf dem Platz witzelte, er kämpfe vor allem für mehr Urlaubsgeld: Nur in der Hochsaison könne man als Lehrer fahren. Bei vier Urlauben reiße das ganz schön ins Geld... K.W.