»Mißhandler raus aus der Wohnung!«

■ Mißhandelten Frauen wird die zuvor gemeinsam genutzte Wohnung selten gerichtlich zugesprochen/ Im Rathaus Kreuzberg wurde die kalifornische Rechtspraxis als beispielhaft diskutiert/ Dort reicht eine schlüssige Darstellung der Situation vor Gericht

Kreuzberg. Mißhandelte Frauen haben in der Bundesrepubik kaum eine andere Möglichkeit, ihrem Peiniger zu entkommen, als in ein Frauenhaus zu flüchten. Die zuvor gemeinsam genutzte Wohnung wird ihnen nur selten gerichtlich zugesprochen. Die dafür verlangten Beweisanforderungen sind so hoch, daß sie kaum erfüllt werden können. Sollte der Antrag dennoch Erfolg haben, gestattet er dem Mann lange Räumungsfristen, in vielen Fällen wird die Wohnung auch nur nach Zimmern aufgeteilt — der Antrag wird praktisch bedeutungslos.

»Nach einer Mißhandlung werden Frauen noch mit Obdachlosigkeit bestraft«, faßt die Frauenbeauftragte von Kreuzberg, Anita Gnielinski, diesen für sie unhaltbaren Zustand zusammen. Auf einer Diskussionsveranstaltung unter dem Motto »Mißhandler raus aus der Wohnung — Mißhandelte rein in die Wohnung!« sollten daher am Dienstag abend Möglichkeiten erörtert werden, welche die rechtliche Position mißhandelter Frauen stärken.

Ein Beispiel könnte das Modell aus dem US-Bundesstaat Kalifornien sein, das die Diplom-Pädagogin Sandra Lüning vorstellte. Dort könnten mißhandelte Frauen einen gerichtlichen Antrag auf Zuweisung der Wohnung stellen, dem nach einer schlüssigen Darstellung der Situation sofort stattgegeben werde. Per einstweiliger Verfügung muß der Mann in kürzester Zeit die Wohnung verlassen, er muß Mißhandlungen, Belästigungen oder Drohungen unterlassen und der Antragstellerin sowie anderen schutzwürdigen Personen (zum Beispiel den Kindern) fernbleiben. Bei Mißachtung dieser Verfügung drohten hohe Geldstrafen oder Gefängnis. Nach zwei Wochen finde eine kurze Anhörung statt, durch die der Gerichtsbeschluß für ein bis drei Jahre Gültigkeit erhalte.

Ist das kalifornische Modell übertragbar?

»Für die Frauen trägt dieser Antrag sehr viel zu ihrer Sicherheit bei. Sie haben das Recht auf ihrer Seite und sie werden ernst genommen«, meint die Sozial-Pädagogin. »Das ist das Moment, wodurch die Frauen an Stärke und Selbstsicherheit gewinnen und auch selbst eine klare Entscheidung zu Veränderungen treffen.«

Die Berliner Juristin Sabine Berghahn hält es zwar ebenfalls für eine »schreiende Ungerechtigkeit«, daß Mißhandler unangefochten in der Wohnung bleiben können. Doch sie bezweifelt, daß man das kalifornische Modell auf das deutsche Rechtssystem übertragen könne. Vor allem wäre es politisch nicht durchsetzbar, von einer mißhandelten Frau keinerlei Beweisführung zu verlangen. Sehr wohl aber könnte ihrer Meinung nach die extrem restriktive Beweisanforderung gelockert werden. Auch die Gerichte könnten mehr Bereitschaft zeigen, Frauen pragmatisch zu helfen.

Einig waren sich die TeilnehmerInnen der Debatte darin, daß ein »großer Nachholbedarf im Bewußtseinsprozeß über Gewalt in privaten Beziehungen notwendig« (Berghahn) sei. Frauen bräuchten eine Hilfe, die in kürzester Zeit wirksam werde und kostengünstig sei. Für Sandra Lüning zeigte sich darin »die gesellschafte Respektierung und öffentlich-politische Parteinahme für die Situation mißhandelter Frauen. lada