Pfarrer unterstützen autofreien Sonntag

■ Kirchengemeinden: Keine Autos über Oberbaumbrücke/ »Bündnis Innenstadtring« fordert Volksentscheid

Berlin. Sieben evangelische und katholische Kirchengemeinden aus Kreuzberg und Mitte sind gegen die von der Verkehrsverwaltung geplante Öffnung der Oberbaumbrücke für den Autoverkehr. Von Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) fordern sie, an den entsprechenden Verkehrsplanungen beteiligt zu werden. Ein diesbezüglicher Brief, der der taz vorliegt, wird zur Zeit unter den Gemeinden abgestimmt. In dem Schreiben berufen sich die Gemeinden auf Paragraph4 des Bundesbaugesetzes, der eine »möglichst frühzeitige« Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und auch der Bürger vorsehe.

Initiiert haben den Brief der evangelische Pfarrer Klaus Duntze (St.- Thomas-Gemeinde) und der katholische Pfarrer Georg Schlütter (Gemeinden Liebfrauen/St. Marien und St. Michael). Schlütter befürchtet, daß eine Öffnung der Brücke für Autos das soziale Gefüge völlig zerreiße. Gerade in Kreuzberg hätten sich viele Initiativen gebildet, seine Gemeinde stehe in engem Kontakt mit den evangelischen Gemeinden, den Muslimen, dem Verein SO 36 und der örtlichen CDU. Eine Autoschneise werde den kommunikativen Austausch verhindern.

Wie Duntze und Schlütter ist auch Pastorin Ulla Franken (evangelische Emmaus-Gemeinde) dafür, die U-Bahn-Linie 1 über die Brücke zur Warschauer Straße und die Straßenbahnen 3 und 4 zum Schlesischen Tor zu verlängern. An den Stadtteilfesten, der Fahrrademonstration und der Menschenkette am kommenden Sonntag, zu dem ein aus 50 Initiativen und Verbänden bestehendes »Bündnis Innenstadtring« aufgerufen hat, will sich Franken beteiligen, soweit ihr am Jugendwochenende mit ihren Konfirmanden Zeit bleibt. Auch die evangelische Tabor-Gemeinde wird die Aktionen, die sich gegen die Schließung des Innenstadtrings richten, unterstützen, berichtet Pfarrer Ekkehard Gahlbeck.

Das »Bündnis Innenstadtring« forderte gestern einen Volksentscheid darüber, ob innerhalb des S-Bahn-Rings (1,1 Millionen Einwohner) der Autoverkehr auf Wirtschafts- und Anwohnerverkehr reduziert werden soll. Die Berliner Verfassung müßte in diesem Sinne geändert werden, sagte Claus Gerlach vom BUND. Er verwies auf Beispiele aus Amsterdam und Zürich. Unterstützt wird diese Forderung von der Fraktion Bündnis 90/Grüne. Die »plebiszitären Elemente«, die 1975 auf Betreiben der SPD aus der Berliner Verfassung herausgenommen worden seien, müßten wiedereingeführt werden, sagte Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher.

Hans-Peter Stadtmüller, Fraktionssprecher der SPD, befürchtete, daß die Möglichkeit eines Volksentscheides »das Primat des Parlaments aushöhlt«. Man könnte aber eine Volksbefragung durchführen. Die CDU teilt die Forderungen des »Bündnisses Innenstadtring« und auch der Pfarrer »ganz und gar nicht«. »Wir haben dem Wähler ein leistungsfähiges Hauptverkehrsstraßennetz versprochen«, kommentierte Rainer Giesel, verkehrspolitischer Sprecher der CDU. Zum Brief der Kirchengemeinden sagte er: »Ich empfehle den Pfarrern, sich um die reine Lehre und den lieben Gott zu kümmern.« Dirk Wildt