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STANDBILDBei Courths-Mahler volontiert

■ Reality-TV: "Auf Leben und Tod", Mittwoch, 21.15Uhr, RTLplus

So haben wir's gern. Der Mann weiß sich noch zu benehmen. Kommt zu uns in die gute Stube, stellt sich erstmal ordentlich vor und sagt, was er verkaufen will: „Ich bin Olaf Kracht, und ich zeige Ihnen heute folgende Themen.“

Und während man noch rätselt, wie sich „Themen“ zeigen lassen könnten, erklärt der Herr schon artig, wo's langgehen soll: Einmal versuchter Raub, zweimal Bankraub, einmal Geiselnahme und manchmal alles durcheinander. Vier echte Fälle aus dem wirklichen Alltag (noch) lebender Ordnungshüter.

Was folgte, war primär eine weitere Ausgabe der grassierenden Sternstunden der unfreiwilligen Komik. Erreichten die beiden Episoden, die man (neben der netten Begrüßung) dem US-Vorbild Top Cops abgekauft hatte, in puncto „action“ wenigstens noch das Niveau einer durchschnittlich dämlichen Ami- Vorabend-Serie, gerieten die zwei hausgemachten Fälle schnurstracks zu einer infamen Verhöhnung der deutschen Polizei. Oder wie sonst soll man den Einfall (Regie führte übrigens Dokumentarfilmer Axel Engstfeld!) verstehen, nach dem ein veritabler SEK-Recke eine endlose Treppe hinunterschreiten mußte und gleichzeitig mit starrem Blick in die Kamera von einem erfolgreichen Einsatz seiner Truppe berichten sollte.

Was Wunder, daß dem Beamten die Worte etwas stockend kamen. Für sowas sind die Leute doch nicht ausgebildet. Wie oft der Arme bei den Proben wohl hingefallen ist? Doch für Gram besteht kein Grund. Denn die Art, in der anschließend unbedarfte Schauspieler die „echten“ Fälle nachstellten, war um keinen Deut besser, zumal sie vorwiegend Sätze aufzusagen hatten, deren Verfasser scheinbar noch bei Courths- Mahler volontiert hatte: „Hatte Larenzi die Falle durchschaut? So dachte auch der tapfere Juwelier“; „Ich stand mutterseelenallein im Wald.“

Ach, wenn Olaf Kracht wenigstens zwischendurch mal herzhaft gelacht hätte. Aber nein, in eine nagelneue Lederjacke gewandet zog er nur angestrengt die glatte Stirn in Falten und wies auf die Brisanz seines albernen Bilderbogens hin. Also wenn schon Reality-TV, dann doch lieber gleich der reale Ede Zimmermann.

Erstens sieht der besser aus als Olaf Kracht und trägt immer nur Sachen, die ihm auch wirklich stehen. (Von wegen Lederjacke!); zweitens sind seine „Fälle“ — vergleichsweise — atemberaubend inszeniert; drittens bietet er den zusätzlichen Nervenkitzel, daß das Phantombild des gesuchten Schurken doch fatale Ähnlichkeit mit dem eigenen Nachbarn haben könnte, und last, not least gibt's auch noch was zu gewinnen: „Für sachdienliche Hinweise, die zur Ergreifung des Täters führen, hat die Kripo Bebra einen Kasten Bier als Belohnung ausgesetzt.“ Bei Kracht gäb's bestimmt nur Mineralwasser. Reinhard Lüke

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