INTERVIEW
: „Der Transrapid erzeugt nur neuen Verkehr“

■ Der Transrapid nimmt nach Überzeugung des Umweltbundesamtes der Bahn Geld weg und produziert mehr Verkehr/ Er braucht nicht nur ein Drittel mehr Strom, er ist auch erheblich lauter, sagt UBA-Wissenschaftler Norbert Gorißen

Die SPD-Fraktion veranstaltete gestern in Bonn ein Experten-Hearing zur geplanten Transrapidstrecke zwischen Hamburg und Berlin. Das äußerst umstrittene Magnetbahn-Projekt, in das Bundesforschungsminister Riesenhuber 1,5 Milliarden Mark Steuergelder investiert hat, hatten die Bonner Grünen schon 1990 in einer Broschüre zerpflückt. Trotzdem wurde es jetzt in den Entwurf für den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen. Gestern äußerten sich das am Projekt beteiligte Bundesbahn-Zentralamt München positiv und das Umweltbundesamt (UBA) negativ zu dem Projekt.

taz: In Bonn wird ständig von Verkehrsvermeidung gesprochen. Welchen Beitrag leistet der Transrapid dazu?

Norbert Gorißen: Keinen. Im Gegenteil. Er wird, wenn er denn tatsächlich gebaut wird, ein zusätzliches Angebot sein, das auch zusätzlichen Verkehr nach sich zieht. Es sei denn, man baut anderswo ab.

Wo wäre das denn denkbar?

Beim innerdeutschen Flugverkehr zwischen Hamburg und Berlin. Aber wahrscheinlich ist, daß die Flughäfen die freiwerdenden Kapazitäten für mehr internationalen Verkehr nutzen werden. Und eine Reduktion des Schienenverkehrs ist nicht in unserem Interesse, weil der Schienenverkehr im Vergleich zum Transrapid 30 bis 40 Prozent weniger Energie verbraucht, neun Dezibel weniger Lärm emittiert und außerdem auch Güterverkehr abwickeln kann.

Inwieweit sind die ökologischen Folgen des Transrapid von Ihnen erforscht?

Es gibt ihn ja bisher nur als Forschungsprojekt mit einem kleinen Versuchsfahrzeug. Darauf und auf Simulationsrechnungen beziehen sich alle bisherigen Erkenntnisse über Lärm und Energieverbrauch. Aber auch verkehrliche Auswirkungen sind absehbar. Der Transrapid ermöglicht keine einfache Anbindung der Innenstädte. Deshalb ist wahrscheinlich, daß Haltepunkte auf der grünen Wiese entstehen mit entsprechenden Parkplätzen, Anschlüssen ans Straßennetz etc. Und der Transrapid kommt vor allem den Fahrgästen zugute, die heute den Flugverkehr benutzen. Die anderen Bürger bleiben auf die einfache Bahn angewiesen, für deren Ausbau weniger Finanzen da wären.

Gräbt der Transrapid also der Bahn das Wasser ab?

Die Gefahr besteht zumindest. Die Bahn hat angekündigt, sie werde ihre Ausbaupläne Hamburg— Berlin zurückschrauben, wenn eine Transrapidstrecke gebaut wird. Und der Transrapid leistet überhaupt keinen Beitrag zur regionalen Verkehrsentlastung. Ich gehe davon aus, daß der Transrapid neuen Verkehr erzeugt. Es gibt ja schon Leute, die darüber räsonieren, ob sie nicht einen Pendelverkehr zwischen Hamburg und Berlin einrichten können. In Frankreich gibt es solche Effekte schon: Ich habe Informationen darüber, daß etwa 500 Leute täglich mit dem TGV von Lyon nach Paris zur Arbeit pendeln. Solche Möglichkeit würde der Transrapid auch hier bieten. Da entsteht zusätzlicher Verkehr, weil die Leute nicht mehr gezwungen wären, umzuziehen.

Was tun Sie denn nun gegen die Pläne des Verkehrsministeriums? Aus dem Umweltministerium ist ja nichts dazu zu hören.

Wir erarbeiten eine ausführliche Stellungnahme. Wir werden dem Umweltminister Material liefern, um sich mit seinen Kabinettskollegen auseinanderzusetzen.

Ist das alles nicht etwas zu spät?

Nein, es ist noch keine endgültige Entscheidung über den Transrapid gefallen. Es steht zwar im Entwurf für den Bundesverkehrswegeplan auch etwas über den Transrapid drin, aber so wie ich das lese, ist das nicht sehr verbindlich. Interview: Annette Jensen