Sozialliberale Fristenregelung kommt

Verhandlungsmarathon zwischen SPD und FDP/ Gemeinsamer Entwurf zur Fristenregelung soll heute vorgestellt werden/ Frage der Strafbarkeit noch vollkommen unklar/ Verhandlungsklima gespannt  ■ Von Karin Flothmann

Berlin (taz) — „Am Freitag präsentieren wir den gemeinsamen Entwurf von SPD und FDP zur Fristenregelung.“ Mit diesen Worten kündigte Uta Würfel, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP, noch vor Verhandlungsende eine heutige Übereinkunft beider Fraktionen an. Auch die Verhandlungsführerin der SPD, Inge Wettig-Danielmeier, ging davon aus, daß es mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Einigung kommen werde. Nachdem nach der Osterpause SPD und FDP ihre Verhandlungen über eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs wieder aufgenommen hatten, zeichneten sich in den letzten Tagen allerdings noch keine definitiven Übereinkünfte ab. Eine Marathonsitzung am gestrigen Abend, deren Dauer bis in die Nachtstunden anvisiert wurde, sollte die endgültige Entscheidung bringen. Bis zum Redaktionsschluß lagen keine Verhandlungsergebnisse vor.

Bei der Neuregelung des Paragraphen218 treten SPD und FDP für eine Fristenregelung ein. Dennoch bergen die unterschiedlichen Entwürfe beider Parteien Konfliktpotential. „In der Frage der für die Frau verpflichtenden Beratung sind wir der FDP weitestgehend entgegengekommen“, meinte Inge Wettig-Danielmeier. Der SPD-Entwurf sieht ursprünglich keine Zwangsberatung vor. Einer verpflichtenden Informationsberatung stimmt die SPD nun zu. Allerdings wurde gestern abend noch verhandelt, ob darüber hinausgehende psychologische Beratungen als Kann-Bestimmung in die gemeinsame Gesetzesvorlage eingehen. Denn die SPD plädiert dafür, daß eine Konfliktberatung nicht verpflichtend sein soll, sondern nur auf den Wunsch der Frau stattfinden sollte. Vollkommen unklar war bis gestern noch die Frage der Strafbarkeit. Dieser Verhandlungspunkt soll, wie es scheint, nach den Vorstellungen der Verhandlungskommissionen im Parforceritt bestritten werden. Aber auch hier tun sich in beiden Gesetzentwürfen unüberwindliche Gräben auf. Wo die SPD einfordert, ein künftiges Gesetz dürfe nicht hinter die geltende Gesetzeslage zurückgehen, will die FDP die Frau, die eine Schwangerschaft nach der zwölften Woche abbricht, bestrafen. Derzeit ist ein Schwangerschaftsabbruch erst nach der 22. Woche für eine Frau strafbar.

Gleichzeitig sieht der Gesetzentwurf der SPD vor, den Paragraphen218 vollständig aus dem Strafgesetzbuch herauszunehmen und in einem gesonderten Gesetzespaket mit flankierenden Sozialmaßnahmen unterzubringen.

„Wenn wir in der Frage der Strafbarkeit nachgeben würden, wäre die FDP vermutlich bereit, den 218 aus dem StGB herauszunehmen“, schätzte Wettig-Danielmeier die Verhandlungssituation gestern nachmittag ein.

Die CDU setzt vermutlich auf das Aussitzen der gesamten Neuregelung und möchte im kommenden Jahr die Indikationsregelung per Verfassungsklage durchsetzen. Ein gemeinsamer Entwurf von SPD und FDP birgt dagegen die Chance, die Fristenregelung auf Dauer in der BRD durchzusetzen. Das Klima, in dem die Verhandlungen der letzten Tage stattfanden, wurde allerdings durch die derzeitige Angeschlagenheit der FDP mitbestimmt. Wenn Lambsdorf (FDP) schon verkündet, der SPD bleibe keine Wahl, als dem Entwurf seiner Partei zuzustimmen, so beeinflußt dies die Verhandlungsatmosphäre nicht gerade positiv.