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„Der Betrieb ist unter unserer Kontrolle“

■ In Sebaldsbrück lagert tonnenweise unzureichend gesichertes Gift / Undichte Dächer, Risse im Beton, offene Fässer

Bitte die Handschuhe

Arbeitshandschuhe nach Arbeitseinsatz bei Molan

Ein weißes Blatt an der Wand verrät die Firmenphilosophie: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“ Sonst ist hier nichts weiß: Klebrig schwarze Masse bedeckt einen Teil des Bodens, ein anderer Teil ist mit Packpapier zugelegt. An der Produktionsanlage befinden sich giftige Rückstände. Das Metall ist von Produktionsrückständen angefressen. Die Luft beißt in der Nase. An der Maschine hängen Gasmasken. Es sieht aus, als hätten die Arbeiter alles stehen und liegen lassen, um dieser Giftküche zu entfliehen.

Diese stinkende Altlast befindet sich mitten im Ortsteil Sebaldsbrück. Hier, in direkter Nachbarschaft zu zahlreichen Wohnhäusern hat die Molan Dittrich ProduktionsGes. m.b.h & Co K.G. seit den fünfziger Jahren und bis Juni 1991 auf der seit Jahren hinfälligen Blockschaumanlage produziert mit Wissen und

Billigung des Gewerbeaufsichtsamtes. Der TÜV beschrieb diese Anlage 1982 so: „Die eigentliche Anlage besteht aus einem 10 m langen, 1 m breiten und 1 m hohen Tunnel. Das noch flüssige Einsatzstoffgemisch wird am Eingang des Tunnels mittels einer hin und her wandernden Düse mit einer Schichtdicke von 1-2 cm aufgetragen. Das Gemisch aus Polyol, Isocyanat und Aktivator schäumt im Kanal auf und hat nach ca. 2-5 Minuten seine volle Höhe von 50-60 cm erreicht.“

In dem Nebenraum befindet sich eines von mehreren Faßlagern. Tonnenweise lagern hier hochgiftige Chemikalien in vergammelten Lagerhallen, nur unzureichend geschützt vor Unbefugten. Wer von der Seebaldsbrücker Heerstraße aus durch das einfach verglaste Fenster einsteigen will, hätte dabei keinerlei Schwierigkeiten. Und die Rück

seite des Geländes ist zur Eisenbahn hin nur mit einem etwa 1,80 Meter hohen Tor gesichert, das mühelos zu überwinden wäre. Auf dem Grundstück selbst gibt es keinerlei weitere Sicherungen. Die Türen sind unverschlossen. Und dahinter herrscht gefährliches Chaos: Polyethylene Glycol 200, Daltogart WP, N-Methylmorpholin, Polyorase Poriol, Dabco T-9, Caradol, Irophen 25, Phosporin acid 2,2-1,3: wahllos durcheinander stehen die Fässer in den Lagerhallen herum.

Fast alle Chemikalien sind mit einem Kreuz als gesundheitsschädlich gekennzeichnet: „Bewirkt Augenreizung. Man vermeide das Einatmen. Tragen von Atemschutz empfohlen. Bei Unwohlsein sofort Arzt aufsuchen.“ Viele Stoffe sind zudem als leicht entzündlich deklariert. Einige Fässer sind angeschlagen, auf anderen hat sich Regenwasser gesammelt, das durch das völlig löchrige Dach in die Halle strömen kann. Einige Fässer, die als leicht entflammbar gekennzeichnet sind, stehen offen. Der Betonboden hat Risse.

Auch das Dachgeschoß, in dem die Formen gelagert werden, in die früher der Schaum gepreßt wurde, ist leicht entflammbar: Hölzerne Deckenbalken, Holzbohlen-Fußboden, diverse Pappkartons mit Firmenakten. Wenn hier, aus welchen Gründen auch immer, ein Feuer ausbräche: Es gäbe eine Katastrophe nicht vorstellbaren Ausmaßes. „Bei Feueralarm haben alle Personen sofort die Fenster und Türen zu schließen und die Gebäude zu verlassen“, heißt es hilflos in der „Feuerschutzordnung“ aus dem November 1987.

Mit Feuer hat Molan so seine Erfahrungen: Im Juli 1984 brannte es in einem illegal errichteten Gebäude auf dem Werksgelände. Es gab keinen Notausgang, aus dem sich die 20jährige türkische Arbeiterin hätte retten können. Sie verbrannte. Der Prozeß gegen Firmenchef Erich Dittrich wurde zwei Jahre nach dem Brand gegen eine Geldbuße von 70.000 Mark eingestellt. Jetzt stehen auf dem Gelände drei Container mit Abluftrohr: „Sicherheitscontainer“, die wohl den Arbeitern Schutz bieten sollten. In den Spinden in den „Sozialräumen“ lagern Gasmasken und Schnapsflaschen.

Auch im Molanwerk in Achim gab es ein Feuer: Im Mai 1985 brannte das Werk aus ungeklärter Ursache bis auf die Grundmauern nieder. Die Stadt Achim lag zu diesem Zeitpunkt bereits geraume Zeit im Streit mit der Firma. Denn schon damals wollte Molan die marode Blockschaumanlage in Sebaldsbrück durch eine moderne Anlage ersetzen und die Produktion in Achim konzentrieren. Der Achimer Stadtrat hatte dagegen erhebliche Bedenken. „Nach den Unterlagen der Kurzbeschreibung muß mit andauernden Geruchsbelästigungen und Gesundheitsbeeinträchtigungen gerechnet werden“, urteilte 1984 ein Chemieprofessor der Bremer Uni zu den Molan-Plänen. Und weiter: „Das aus dem Kamin austretende Schadstoffgemisch wirkt mit rund 7 mg/m3 stark krankheitserregend."

Nach dem Brand mochten die Ortspolitiker das Chemiewerk gar nicht mehr haben. Molan- Chef Dittrich setzte nun auf Bremen und hatte mehr Erfolg: Trotz heftiger Proteste einer Mahndorfer Bürgerinitiative wurde Molan ein Grundstück am Bremer Kreuz verkauft. In der Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 10. September 1985 heißt es: „An die Molan-Werke soll im Gewerbegebiet Osterholz-Mahndorf ein ca. 60.000 qm großes stadteigenes Grundstück zum Preis von DM 2,1 Mio. verkauft werden. Gleichzeitig soll das ca. 8.000 qm große bebaute Grundstück der Molan-Werke an der Sebaldsbrücker Heerstraße 175 zu einem Preis von 2,0 Mio. angekauft werden.“ Klartext: Die Stadt verkaufte Molan bestes Gewerbegebiet zum Quadratmeterpreis von 35 Mark und erstand dafür eine altlastverdächtige Fläche zum Quadratmeterpreis von 250 Mark.

Der SPD-Abgeordnete Weinkauf begründete den Ankauf damals so: „Die Firma hat zur Zeit aufgeteilt in die einzelnen Werksteile, die dann zusammengeführt werden sollen, im Werk Sebaldsbrücker Heerstraße 90 Mitarbeiter, im Werk Achim 100 Mitarbeiter und im Werk Verden 110 Mitarbeiter. Wenn wir das Kunststoffhaus in der Stresemannstraße noch dazuzählen, kommen wir in der Summe auf 310 Mitarbeiter.“ Auch die SPD-Umweltpolitkerin Tine Wischer sprach sich für die Molanansiedlung in Mahndorf aus. Ihre Begründung: Dann könne endlich die stinkende und gefährliche Einrichtung in Sebaldsbrück geschlossen werden.

Doch aus der angestrebte Verlegung der wirtschaftsgeförderten Giftküche wurde nichts. Denn dafür hätte ein Verfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImschG) durchgeführt werden müssen. Doch die kompletten Antragsunterlagen gingen nie bei der Gewerbeaufsicht ein. Die zeigte sich dennoch geduldig: Obwohl die Luftreinhaltungsvorschriften bereits 1986 so verschärft wurden, daß eine Stilllegung der Blockschaumanlage möglich gewesen wäre, gelang es Molan die Produktion bis Juni 1991 aufrecht zu erhalten. Inzwischen, so Insider, kauft Molan die Schaumstoffblöcke ein statt sie, wie mit der Wirtschaftsförderung vereinbart, in einer neuen Anlage selbst zu produzieren. Der Grund: Dies ist inzwischen billiger als alle Umweltauflagen einzuhalten.

Klaus-Jürgen Dittrich, Geschäftsführer der Molan-Gruppe, reagiert auf Nachfragen nervös und gereizt. „Gewisse Faßware ordnungsgemäß gelagert“ befinde sich noch im Sebaldsbrücker Werk, alles „unter unserer Kontrolle“. Zudem sei das weniger gefährlich als Chemikalien im Krankenhaus. Und außerdem sei er für Schäden durch unbefugtes Betreten nicht verantwortlich. Dittrich: „Wenn da jemand Schweinereien macht, kann ich da nichts dafür.“ Holger Bruns-Kösters

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