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Politik hat einen Platten

■ In der Verkehrsverwaltung geht der heimliche Streik gegen den Radwegeausbau weiter

Der Arbeitskampf der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ist vorbei — ein anderer Streik geht weiter: der Bummelstreik in der Verkehrsverwaltung, der sich gegen den Ausbau des Radwegenetzes richtet und den kein Gewerkschafter so recht öffentlich machen will. Nach mehreren Verzögerungen sollte das Westberliner Veloroutennetz mit breiten Radwegen, eigenen Fahrbahnen auf der Straße, bevorrechtigten Ampelschaltungen, Ausschilderungen und Streckenführungen durch verkehrsberuhigte Straßen eigentlich schon im letzten Jahr fertig sein.

Doch von den eher mageren sechzig Kilometern Gesamtlänge sind auch bis heute nur fünfzig Kilometer verwirklicht. »Seit dem vergangenen Jahr ist überhaupt nichts mehr passiert«, kritisiert Uta Wobit, Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC). Selbst dem persönlichen Referenten des Verkehrssenators, Alexander Kaczmarek, wird bei diesem Schneckentempo mulmig: »Das ist sehr langsam.«

Wie wichtig die Velorouten aber sind, wurde noch nie so deutlich wie in dieser Woche. Die üblichen Radwege konnten die Massen von Mountain-Bikern und Velophilen nicht mehr verkraften, Überholen war nicht mehr möglich, Beschleuniger mußten auf die Straße ausweichen. Dabei traten nach Schätzung des Umweltrates zwei- bis dreimal so viele Berliner als normal in die Pedale. Sie stellten einen Anteil von achtzehn statt der üblichen sechs Prozent am gesamten Verkehrsaufkommen, glaubt Umweltstaatssekretär Lutz Wicke, der sich vom Umweltrat beraten läßt. Der CDU-Politiker setzt sich dafür ein, daß das umweltfreundliche Rad auch ohne BVG-Streik diesen Anteil hält: »Dafür sind im Radwegenetz allerdings deutliche Verbesserungen nötig.«

Gemeinsam mit dem Umweltrat stellte der Staatssekretär zehn Thesen zur Förderung des Tretverkehrs auf. Wichtigste Forderungen sind ein Sofortprogramm von Fahrrad- und Mehrzweckstreifen, verstärktes Einrichten von Velorouten und die zeitlich uneingeschränkte Mitnahmemöglichkeit des Rades in Bahn, Bus und Tram. Doch wie schnell was wo umgesetzt werden sollte, will Wicke nicht festlegen — aus Angst, dem Verkehrssenator ins Gehege zu geraten.

Wie die Fahrradpolitik künftig aussehen soll, will Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) Ende des Monats der Öffentlichkeit erläutern. Vermutlich wird der Senator aber wenig Neues sagen. Das Veloroutennetz soll von den derzeit füfzig Kilometern auf dreihundertzwanzig Kilometer verlängert werden. Bis wann, wußte sein persönlicher Referent aber nicht zu sagen. Der Bummelstreik in der Verwaltung geht weiter. Dirk Wildt

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