KOMMENTAR
: Paragraph 218 fauler Kompromiß

■ Mann will es allen recht machen, nur den Frauen nicht

Paragraph 218 — fauler Kompromiß Mann will es allen recht machen, nur den Frauen nicht

Nun ist er also durch, der Gruppenantrag von SPD und FDP für eine Fristenregelung. Und selbst CDU-Abgeordnete und Bündnis 90 gesellten sich gestern zur öffentlichen Präsentation. Das läßt annehmen, daß der Entwurf im Bundestag eine tragfähige Mehrheit finden kann. Nach 16 Jahren im Schatten der Indikationen also endlich ein Durchbruch aller bisherigen feministischen Forderungen? Bewahre! Der von der FDP diktierte Entwurf, dem die SozialdemokratInnen mit nur 15 Gegenstimmen aus der eigenen Fraktion gestern zustimmten, gibt keinen Anlaß zum Enthusiasmus. Denn trotz einer gesellschaftlichen Mehrheit für das Selbstbestimmungsrecht der Frau und gegen den §218 ist es bundesdeutschen Parteien wieder einmal nicht möglich, ihre Politik an den realen Bedürfnissen von Frauen zu orientieren. Auch nach 20 Jahren des Kampfes bleiben alle Rufe nach der Streichung des frauenverachtenden Paragraphen ungehört. Dafür wird den Frauen jetzt ein Gesetzentwurf beschert, der es allen Seiten recht machen will — auch den Verfassungsrichtern in Karlsruhe.

Was aber bringt ein Gesetzesentwurf „zum Schutz des werdenden Lebens und zur Förderung einer kinderfreundlichen Gesellschaft“ eigentlich den Frauen? Offenbar hat das Geschrei einiger Lebensschützer mehr politisches Gewicht als die Meinung einer Hälfte der Gesamtbevölkerung. Augenscheinlich schürt die politische Stimmungsmache vom aussterbenden Deutschen die Panik in „diesem unseren Lande“ so gewaltig, daß nun Gesetze für Kinder her müssen.

Denn das Selbstbestimmungsrecht der Frau wird mit dieser neuen, völlig verwässerten Fristenregelung nicht anerkannt. Eine Frau macht sich immer noch strafbar, wenn sie eine Abtreibung vornimmt — und zwar dann, wenn sie nach Ablauf der Frist ihre Schwangerschaft abbricht, oder aber — und das ist gravierender, wenn sie vor dem Abbruch keine Beratung in Anspruch genommen hat. Ein Gericht kann zwar von der Strafe, die sich zwischen Geldstrafe und Gefängnis bis zu drei Jahren bewegt, absehen, wenn die Frau zur Zeit des Abbruchs in „besonderer Bedrängnis“ war. Wer aber definiert die „besondere Bedrängnis“ der Frau?

Letztlich bleibt es also bei der Zwangsberatung, auch wenn diese möglichst nicht mit dem moralisierenden Zeigefinger durchgeführt werden soll. Doch wer — außer den zwangsweise verpflichteten Frauen — hat schon Einblick in die Beratungspraxis? Bayerische unterscheidet sich nach wie vor von norddeutscher Praxis, und daran wird sich nichts ändern.

Allein die Formulierungen, die die Aufgabe einer Beratung festlegen, lassen Böses befürchten. Denn: „Die Beratung dient dem Lebensschutz durch Rat und Hilfe für die Schwangere unter Anerkennung des hohen Wertes des vorgeburtlichen Lebens und der Eigenverantwortung der Frau.“ Karin Flothmann