Möllemann-City

■ Wie die Stadt Münster dem Wirtschaftsminister dient und warum ihm Udo Lindenberg kein Ständchen bringt

Münster (taz) — Von Liz Taylor unterscheidet Jürgen W. Möllemann der offensive Umgang mit dem eigenen Geburtsdatum. „Geboren am 15. Juli 1945 in Augsburg, verheiratet, drei Kinder“ steht auf dem Kurzlebenslauf des Wirtschaftsministers. Der Steckbrief nebst einer vom Unterschriftenautomaten signierten Ansichtskarte des Möllemannschen Gesichtsfeldes bildet das Deckblatt des Papierstapels, den alle Pressevertreter beim Gipfel in Münster in die Hand gedrückt bekommen.

Kein Zweifel, Münster verdankt dieses Ereignis seinem lokalen FDP-Spitzenkanditaten, Möllemann. Der studierte Lehrer war hier Ende der sechziger Jahre Vorsitzender des Allgemeinen Studentenausschusses der Pädagogischen Hochschule. Vom akademischen Leben verabschiedete er sich mit einer Mini-Diplomarbeit, die das Motto trug: „Wenn du meinst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her.“

Auch für den aktuellen Gipfel erwies sich Möllemanns Motto als zutreffend. Wegen des ÖTV- Streiks hatten die Organisatoren befürchtet, die internationalen Gäste müßten durch knöcheltiefen Müll waten. Doch noch bevor sich Monika Wulf-Mathies und Rudolf Seiters geeinigt hatten, zeigte die lokale ÖTV ein Einsehen. Am Donnerstag Nachmittag rollte ein Gewerkschafts-LKW in Münsters Vorzeigeviertel, den Prinzipalmarkt. An der Seite flatterte ein Transparent mit der Aufschrift „Die ÖTV weiß, was sich gehört, die Arbeitgeber nicht“ und von der Ladefläche hüpften junge, dynamische Gewerkschafter. Ungeachtet ihrer mit „Wir streiken“ bedruckten Plastik-Leibchen lehrten sie in windeseile die überquellenden Mülleimer der Protokollmeile.

Auch die CDU-dominierte Stadtverwaltung half dem FDP- Minister bei Organisation und Eigenwerbung. Die geschäftstüchtigen Christdemokraten sähen die Agrarmetropole Münster gerne zur Kongreßstadt aufgewertet. Möllemann gilt als Hoffnungsträger der westfälischen Innereienspezialität „Töttchen“ gegenüber dem pfälzischen „Saumagen“. Durch ein „Volkshappening“ sollten die Ost- West-Minister empfangen werden. Das Bad der ministerialen Gäste in der Menge wurde leider abgesagt. In verschiedenen Autonomen-Postillen war dazu aufgerufen worden, den Delegierten „in die (Hummer-) Suppe zu spucken.“ Aber nicht nur das „Chaotenpack“ machte Möllemann einen Strich durch die Rechnung. Auch der gebürtige Westfale Udo Lindenberg, auf ausdrücklichen Wunsch des Ministers als Generationen-, Fraktionen- und Völkerverbinder eingeladen, sagte kurzfristig ab. Weil er Augenzeuge der jüngsten Rassenunruhen in den USA geworden war, konnte er seinen Auftritt nicht mit der Anwesenheit der US-Delegation vereinbahren. „Wenn die es nicht einmal hinkriegt, in ihrem eigenen Land für soziale Gerechtigkeit zu sorgen, und dann von gerechter Wirtschaftspolitik für die GUS redet, wächst in mir ein solches Mißtrauen, daß ich den Auftritt nicht machen kann“, faxte er an Möllemann. Thomas Dreger

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