RAF-Mitglied Sonnenberg soll raus

■ Bundesanwaltschaft beantragt vorzeitige Entlassung nach 15 Jahren Haft/ Sonnenberg habe RAF-Moratorium begrüßt/ Letzte Entscheidung liegt beim Oberlandesgericht Stuttgart

Karlsruhe (dpa/taz) — Generalbundesanwalt Alexander von Stahl hat beim Oberlandesgericht Stuttgart die vorzeitige Entlassung des zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten RAF-Gefangenen Günter Sonnenberg beantragt. Damit scheint die sogenannte „Kinkel-Initiative“ trotz des bevorstehenden Wechsel des Justizministers ins Außenamt wieder in Gang zu kommen. Günter Sonnenberg und Bernd Rössner gehören zu den beiden am schwersten erkrankten RAF-Gefangenen, deren Entlassung die Kommandoebene der RAF als Signal des guten Willens des Staates gefordert hatte. In der Erklärung der Bundesanwaltschaft wird zur Begründung des Antrags ausgeführt, Sonnenberg habe sich unter anderem gegen Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele ausgesprochen, deshalb sei die Strafaussetzung zur Bewährung zu verantworten. Die Entscheidung über den Antrag, der bereits am vergangenen Mittwoch gestellt worden war, steht noch aus.

Sonnenberg — der am 2. Mai dieses Jahres 15 Jahre Freiheitsstrafe verbüßt hatte — war im April 1978 wegen Mordversuchs an zwei Polizisten vom Oberlandesgericht Stuttgart zu zweimal lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der frühere Terrorist leidet unter epileptischen Anfällen, nachdem ihn bei seiner Festnahme eine Kugel am Kopf verletzt hatte.

Maßgeblich für den Antrag von Stahls soll vor allem die Äußerung Sonnenbergs bei seiner gerichtlichen Anhörung vor dem OLG Stuttgart am 28. April gewesen sein. Sonnenberg habe dabei die Erklärungen der Roten Armee Fraktion und der inhaftierten RAF-Terroristin Irmgard Möller „für richtig befunden“. In der Erklärung der RAF wird eine vorläufige Einstellung des bewaffneten Kampfes angekündigt, falls „der Staat“ seinem Justizminister folgt, und nach und nach die Gefangenen der RAF freiläßt. Das am längsten inhaftierte RAF-Mitglied Irmgard Möller hatte sich zustimmend zu der Erklärung geäußert. „Die Entscheidung der Genossen ist richtig, wir wollen bereits seit '89 eine Zäsur im gesamten politischen Zusammenhang.“

Darüber hinaus habe Sonnenberg ohne Vorbehalt erklärt, sich nach einer bedingten Entlassung weder an bewaffneten Auseinandersetzungen beteiligen noch überhaupt Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele einsetzen zu wollen. Der Auffassung des Generalbundesanwalts, den Rest der Strafe auszusetzen, habe sich auch die Justizvollzugsanstalt Bruchsal (Baden-Württemberg) angeschlossen, in der Sonnenberg seine Strafe verbüßt.

Sonnenberg ist einer von insgesamt neun inhaftierten Terroristen, über deren — vorzeitige — Entlassung die Justiz in diesem Jahr zu entscheiden hat. Dazu gehören unter anderen die zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilten Bernhard Rössner (46), Lutz Taufer (48), Christine Kuby (39) und Irmgard Möller (44). Nach § 57a Strafgesetzbuch kann der Rest einer lebenslangen Freiheitsstrafe ausgesetzt werden, wenn mindestens 15 Jahre verbüßt sind, die Kriminalprognose ausreichend günstig ist, die Schuldschwere nicht entgegensteht und der Gefangene zustimmt.