Platzangst im »U-Boot«

■ Rangeleien mit OrdnerInnen am Tag der offenen Tür im ehemaligen Stasi-Gefängnis in Hohenschönhausen

Hohenschönhausen. Das ehemalige Stasi-Gefängnis in Hohenschönhausen ist bei seinem ersten Tag der offenen Tür von BesucherInnen überrannt worden. Am Samstag hätten etwa 2.500 Interessierte, darunter viele ehemalige Gefangene, die Haftanstalt besichtigt, sagte ein Justizbeamter.

Vom Gartenamt Hohenschönhausen »ausgeliehene« OrdnerInnen beklagten, daß sie als »Stasi-Schweine« beschimpft worden seien. Es sei sogar zu Handgreiflichkeiten mit Gästen gekommen, die nicht akzeptierten, daß Teile des Geländes nicht zu besichtigen waren.

Der Hohenschönhausener Bezirksbürgermeister Rudolf Buschko mußte zahlreiche Schaulustige, die am Samstag erst nach dem offiziellen Ende um 14 Uhr kamen, auf einen weiteren Tag der offenen Tür vertrösten. Er soll im Juni stattfinden.

Zu der Absicht, die Haftanstalt zu einer Gedenkstätte zu machen, sagte Buschko, gebe es im Bezirksamt noch keine Einigung, wie diese Idee »inhaltlich gefüllt werden soll«. Auch sei der Umfang der »historischen Nutzung« unklar. Wie die taz berichtet hatte, plant Berlins Kultursenat, in Hohenschönhausen eine »Gedenkstätte für Opfer des Stalinismus« einzurichten.

Besondere Aufmerksamkeit zogen am Samstag die »Freigang«-Zellen des zeitweise mit 1.500 Häftlingen belegten Gefängnisses auf sich. Sie messen vier mal acht große Schritte und sind von einer hohen Betonmauer umgeben, die mit einem Metallzaun, Stacheldraht und stromführenden Leitungen bewehrt ist. Über diese »Käfige« spannt sich ein Kontrollgang aus Metallrosten.

»Da oben standen die dann, die Kalaschnikow zeigte auf einen«, schilderte ein ehemaliger Häftling seine Bewachung durch Gefängniswärter.

Weitere menschenverachtende Attraktion war das sogenannte U-Boot — ein von den Sowjets zum Kerker umgebauter Keller des zentralen Gebäudes. Die Zellen im U-Boot haben ein Maß von 1,20 auf zwei Meter, und es gibt kein Fenster. Tritt man kopfeinziehend in eines der 30 Verliese, spürt man Platzangst, selbst wenn die armdicke Eisentüre offen bleibt. Zwei nach dem 17. Juni '53 Inhaftierte erzählten, daß in den Zellen lediglich zwei Holzpritschen waren und ein Kübel für ihre Notdurft.

Vor diesen Zellen, die nach Übernahme durch die Stasi 1960 nicht mehr benutzt wurden, kam es am Samstag immer wieder zu Gesprächen zwischen ehemaligen Häftlingen und Interessierten.

Ein heute 60jähriger wurde gefragt, »ob hier Leute erschossen worden sind?«. Er wisse das nicht, und man solle keine Gerüchte verbreiten. Zur Vergangenheitsbewältigung, so sagte der inzwischen formell rehabilitierte Mann, »müssen die Leute erst mal wissen, was hier los war«. cif