Im Jahre 13 nach „Eisenfuß“ Höttges

Eintracht Frankfurt spielt wieder einmal zu gut, um Deutscher Meister zu werden, und rettet mit viel Glück ein 2:2 Unentschieden gegen einen fröhlich-verkaterten Europapokalsieger Werder Bremen  ■ Aus Frankfurt Andreas Lampert

Werfen wir einen Blick zurück. Es war im Mai 1980, als eine der biedersten Truppen der Bundesliga, bestehend aus phlegmatischen Technikern, üblen Knochenbrechern und dem zum Ausputzer umfunktionierten Mittelstürmer Klaus Wunder, ins Frankfurter Waldstadion kam, um sich mit letzter Kraft gegen den Abstieg zu stemmen. Im Jahre eins nach „Eisenfuß“ Höttges stand dem SV Werder Bremen das Wasser bis unter den Scheitel. Bei der Frankfurter Eintracht, für die es um nicht mehr als die Punktprämie ging, hofften die Bremer auf wenig Gegenwehr und mindestens einen Punkt. Doch daraus wurde nichts. Trotz einer 2:0 Führung verlor Bremen 2:3, denn in der 90.Minute schoß ein Frankfurter Vertragsamateur, ein gewisser Christian Peukert, Werder mit seiner ersten Ballberührung in die Zweite Liga. Nach dem Schlußpfiff krümmte sich die gesamte Werder- Führungsriege heulend auf der Aschenbahn.

Zwölf Jahre später hätte es beinahe wieder Tränen gegeben. Wieder war Werder zu Gast im Waldstadion, und wieder ging es der einen Mannschaft um alles, der anderen um nichts. Doch dieses Mal war die Eintracht am Zuge und durfte sich keine Blöße geben, während die Bremer gelassen das Spielfeld betreten und befreit aufspielen konnten. Als Klaus Allofs in der 79.Minute die 2:1 Führung der Hanseaten mit einem geschickten Kopfstoß gegen die Laufrichtung von Torwart Ulli Stein erzielte, hatte es den Anschein, als würde hier eine alte Rechnung beglichen werden. „Des hältste ja im Kopp' net aus“, stöhnten die 45.000 Zuschauer. Die Nerven lagen blank, die Sicherungen knallten durch. Eintracht-Coach Stepanovic zerknüllte seinen Zigarillo im Jacket, sein Assistent Charly Körbel trat vor Wut die „Gatorade“-Plastik an der Trainerbank um. Einzig die etwa 15 OFC- Hools aus dem benachbarten Offenbach, die den Werderblock unterstützten, ergötzten sich in Schadenfreude am Unheil, das der verhaßten Eintracht anstatt des großen Triumphes drohte.

Dabei hatte alles so gut für die Eintracht begonnen. Die Bremer waren nach dem Europapokalsieg gegen Monaco ordentlich verkatert nach Frankfurt eingeflogen und schienen schon im Vorfeld nicht so richtig bei der Sache. Hairstylist „Didier“ Eilts hatte seinen Abwehrleuten Borowka und Bockenfeld die Haarpracht geraubt, und Otto Rehhagels Aufstellung ließ manchen Fußballfachmann ins Grübeln geraten: Der ausgeprägte Rechtsfuß Thomas Schaaf spielte auf der linken Seite, während die linksbeinigen Abwehrspezialisten Legat und Otten auf der Bank saßen; der zuletzt in Vergessenheit geratene Psychologiestudent Uwe Harttgen sollte Regie im Werderspiel führen und der mittlerweile 35jährige Mirko Votava, vom Portwein schwer gezeichnet, sollte die Kreise von Möller und Bein einengen. In Dortmund und Stuttgart wären einem die Haare zu Berge gestanden, hätte man von dieser Formierung gewußt.

So ging die Eintracht nach vorsichtigem Beginn in der 21.Minute durch Andreas Möller nicht unerwartet in Führung. Einen famosen Steilpaß von Uwe Bein erlief der „schnelle Andy“ problemlos und hob den Ball aus zwanzig Metern über den herausstürzenden Rollmann ins Netz. Mit kraftvollen Fernschüssen von Yeboah und Möller verdienten sich die Frankfurter diese Führung. Einzig Torwart Jürgen Rollmanns unorthodoxen Paraden war es zu verdanken, daß die Bremer in Frankfurt nicht abgepfeffert wurden. Der Meisterzug war im Anrollen. Doch in der zweiten Halbzeit brachte sich die Eintracht selbst aus dem Rhythmus. In der traditionellen Wirbelviertelstunde nach der Pause verpaßten Sippel und Yeboah Riesenmöglichkeiten zum 2:0, und die Nervosität der Adlerträger stieg von da an mit jeder Ballberührung. Frankfurt verlor die Nerven. Während mit einem Mal der Ball gewandt durch die Bremer Reihen lief, begann es im Frankfurter Strafraum lichterloh zu brennen. Die letzten fünfzehn Minuten hatten es in sich, denn alle taktischen Korsagen waren mittlerweile über Bord geworfen worden.

77.Minute: Studer säbelt unbedrängt über den Ball, Bockenfeld flankt, Rufer köpft zum 1:1. Eine Minute später: Yeboah hämmert den Ball an den rechten Pfosten. Im Gegenzug fällt das 1:2. Für 120 Sekunden hatte der Fußballgott der Eintracht die Gunst verwehrt. Blankes Entsetzen im weiten Rund.

Man kann nicht unbedingt behaupten, daß sich die Eintracht mit eigener Kraft aus dem Sumpf zog und so zum Ausgleich kam. Eher hatten die Bremer Mitleid mit dem verängstigten Adler. Ein überflüssiger Querschlag kam über den eingewechselten Andersen zu Yeboah, und während Neubarth und Borowka Spalier standen, konnte der Afrikaner in aller Ruhe einspitzeln. Unentschieden gerettet, Spitzenposition verteidigt, kollektives Durchatmen der 45.000.

Werder Bremen: Rollmann - Bratseth (46. Neubarth) - Borowka, Schaaf - Bockenfeld, Eilts, Votava, Harttgen, Bode (73. Legat) - Rufer, Allofs

Tore: 1:0 Andreas Möller (21.), 1:1 Rufer (76.), 1:2 Allofs (78.), 2:2 Yeboah (83.)

Zuschauer: 46.000

Eintracht Frankfurt: Stein - Binz - Roth, Klein - Gründel (46. Studer, 78. Andersen), Andreas Möller, Falkenmayer, Weber - Yeboah, Sippel