Diestel wirft das Handtuch

Der brandenburgische CDU-Fraktionschef tritt endlich zurück/ Spekulationen über Diestels weitere Pläne/ Sonderparteitag stellte sich eindeutig auf die Seite von CDU-Landeschef Ulf Fink  ■ Aus Potsdam Matthias Geis

Der eigentliche Anlaß für den Sonderparteitag der brandenburgischen CDU war passé, noch bevor sich die Delegierten zum allseits erwarteten Showdown zwischen dem christdemokratischen Landeschef Ulf Fink und dem Fraktionsvorsitzenden im Potsdamer Landtag, Peter Michael Diestel, plaziert hatten. Unmittelbar vor Beginn der Tagung am Freitag abend im havelländischen Werder gab Diestel seinen Rücktritt als Oppositionsführer bekannt und beendete damit den seit Monaten eskalierenden Konflikt mit der Parteispitze. Gleichzeitig legte auch die parlamentarische Geschäftsführerin und stellvertretende Parteivorsitzende Beate Blechinger ihre Ämter nieder. Aus der Politik, bremste Diestel vorschnelle Erwartungen, werde er sich allerdings nicht zurückziehen. Er werde Gleichgesinnte innerhalb und außerhalb der Union um sich sammeln. Parteineugründung, Austritt aus der Fraktion zusammen mit seinen Anhängern oder innerparteiliche Opposition — für jede dieser Optionen gaben Diestels lakonische Abgangskommentare etwas her.

Locker, gutgelaunt, eher wie einer, der mit einem taktischen Rückzug seine Ausgangsposition für künftige Auseinandersetzungen verbessern will, ließ Diestel den Parteitag allein. Er könne nicht zulassen, daß ein so wichtiges Thema wie die Landesverfassung — offizielles Thema des Parteitages — für personalpolitische Auseinandersetzungen instrumentalisiert würde, begründete er den Zeitpunkt für seinen Entschluß. Mit seinem Abgang, erklärte der Ex-Fraktionschef dann schalkhaft, wolle er den Anwesenden die Gelegenheit verschaffen, sich anstatt zu seiner Person zur Sache zu äußern: „Mal sehn, ob sie vorbereitet sind.“

Diestel selbst hatte sich bei der Landtagsabstimmung, zusammen mit neun weiteren CDU-Abgeordneten, für den Verfassungsentwurf der Regierungskoalition ausgesprochen und damit den Konflikt mit Ulf Fink weiter angeheizt. Der hatte bereits im Vorfeld gegen den Entwurf und für einen „klaren Oppositionskurs“ der CDU plädiert.

Mehr als einen starken Abgang hatte Diestel in Werder ohnehin nicht zu gewinnen. Mit unkonventionellen Äußerungen zur Rolle der Staatssicherheit in der ehemaligen DDR, seinem „konstruktiven Kurs“ gegenüber der Potsdamer Ampelkoalition und seinem Verständnis für den Stasi-geplagten Landesvater hatte er in der Vergangenheit immer wieder christdemokratische Linientreue vermissen lassen. So forderten annähernd die Hälfte aller Anträge für den Sonderparteitag seinen Rücktritt vom Fraktionsvorsitz oder gar den Parteiausschluß. Er solle hier in Werder — so Diestels durchaus realitätshaltige Einschätzung — „politisch demontiert werden“.

Seinem jetzt erfolgreichen Widersacher Ulf Fink bescheinigte Diestel immerhin „null bis drei Prozent Zustimmung“ in Brandenburg; eine Stellung, die er „nicht weiter gefährden“ wolle. Der kommentierte denn auch Diestels Entscheidung als „befreienden Schritt“, dem er „Respekt“ entgegenbringe. Mit Diestels Rücktritt, der von den Delegierten mit Beifall aufgenommen wurde, hält Fink zugleich das Ende des „Kuschel- und Schmusekurses“ gegenüber der Regierung Stolpe und den Beginn einer „geschlossenen Oppositionsarbeit“ der CDU für gekommen. Mit der allseits zustimmungsfähigen Warnung — „Es darf nicht mehr so sein wie bei Honecker“ — forderte Fink die Delegierten auf, „der Regierung Beine zu machen“, und einer Verfassung, die „Radikalen Tür und Tor öffne“, eine klare Absage zu erteilen. Der Vorschlag wurde mit überwältigender Mehrheit angenommen.

Die von Fink angeregte „offene und ehrliche Aussprache“ geriet über weite Strecken zu einer Abrechnung mit Diestel. Lediglich der Landtagsabgeordnete Markus Vette fiel mit der Behauptung, Finks Politikstil sei „Gift für die Entwicklung der Demokratie“, deutlich aus der Rolle. Er warf Fink intrigantes Verhalten vor und legte ihm selbst den Rücktritt nahe, eine Forderung, die im Landesverband auf absehbare Zeit kaum mehrheitsfähig sein dürfte. Doch Vettes verbitterte Einschätzung ließ zumindest erkennen, daß es Fink auch nach Diestels Rücktritt schwerfallen wird, die gespaltene Fraktion auf Linie zu bringen. Mit dem Verlauf des Parteitags immerhin zeigte sich der Landeschef — am Ende strahlend und mit geballten Fäusten — sichtlich zufrieden: „Die CDU Brandenburg lebt“, sie habe „in unübersehbarer Klarheit Position bezogen“. Und 1994, wenn der „klare Kurs“ der CDU bei den Landtagswahlen „eine überzeugende Mehrheit“ erbringe, ließe sich sagen: „Es hat in Werder begonnen.“— Ehrlich!