Voscherau will Artikel 16 streichen

Hamburg (taz) — Als erster sozialdemokratischer Ministerpräsident hat sich Hamburgs Bürgermeister Henning Voscherau für die sofortige Streichung des Artikel 16, Absatz 2 aus dem Grundgesetz ausgesprochen. Voscherau, auch Vorsitzender der Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat, setzte sich am Freitag abend auf einem Landesparteitag der SPD dafür ein, die Genfer Konvention an die Stelle des deutschen Asylrechts zu setzen.

Der Senatschef begründete seine Forderung mit dem Zeitdruck, unter den die SPD durch die wachsende Ausländerfeindlichkeit in der Bevölkerung gerate. Die Partei laufe Gefahr, von einer „demokratischen Grundwelle weggespült“ zu werden, wenn sie nicht rechtzeitig handele.

Voscheraus Argumente konnten die Hamburger Sozialdemokraten allerdings zumindest vorläufig nicht überzeugen. Mit Zweidrittelmehrheit votierten sie gegen den Vorschlag des innerparteilich nicht unumstrittenen Bürgermeisters. Verabschiedet wurde der Leitantrag des Parteivorstands, der sich gegen eine Abschaffung oder Einschränkung des Artikels 16 ausspricht.

Die Elb-Sozis setzen sich darüber hinaus für ein Flüchtlingsgesetz und eine Einwanderungsgesetz ein. Bürgerkriegsflüchtlinge sollen künftig keinen Asylantrag mehr stellen. Ihnen müsse statt dessen ein pauschales Bleiberecht zugestanden werden. Ein Hintertürchen für eine Grundgesetzänderung lassen natürlich auch die Hamburger Sozialdemokraten offen. Man könne die weitere Entwicklung abwarten, hieß es am Rande des Parteitags. Mit anderen Worten: Wenn die Meinungsumfragen auch vor den nächsten Wahlen einen negativen Trend ergeben und der Bundestag den Parteitagsbeschluß nicht ohnehin noch in diesem Jahr zur Makulatur macht, kann aus Voscheraus Meinung recht schnell die Meinung der Partei werden. Uli Exner