Survivaltraining in der Schorfheide

■ Im brandenburgischen Großwildpark üben mongolische Przewalski-Wildpferde für den Ernst des Lebens: ihre Rückkehr in die Wüste Gobi/ Einzigartiges Projekt, um einer fast ausgestorbenen Tierart den Weg zurück zur Natur zu weisen

Schorfheide. Ein kleines grünes Schild mit der Aufschrift »Wildgehege« weist den Weg quer durch den Ort Liebenthal zu einer vierbeinigen Attraktion; den einzigen momentan im brandenburgischen lebenden Wildpferden. Im idyllisch gelegenen Großwildpark Schorfheide, wo unlängst Erich Honecker noch seinen Jagdgelüsten nachging, tummeln sich seit einem Monat fünf in Gefangenschaft geborene Przewalski- Jungstuten.

Die gelblich-grauen Vierbeiner mit dem schwierigen Namen, den sie ihrem Entdecker, dem Forscher N.M. Przewalski (1839-1888), verdanken, sollen sich im Rahmen eines einzigartigen Projektes in einem 44 Hektar großen, eingezäunten Gebiet an die freie Wildbahn gewöhnen. Bis zu drei Jahre werden die jetzt ein- bis zweijährigen Pferde in der Schorfheide bleiben, um anschließend wieder — unweit der ehemals sowjetischen Grenze — in ihrer ursprünglichen Heimat, der mongolischen Wüste Gobi, angesiedelt zu werden.

»Wir wählten die Schorfheide für das Projekt, da dort ähnliche Bedingungen wie in der mongolischen Steppe herrschen«, erklärt Frank Heyter, einer der Verantwortlichen der Arbeitsgemeinschaft Großwildpark Schorfheide. Auf dem Gelände sei jetzt ein spezielles Grasgemisch angepflanzt worden, an das sich die bis zu eineinhalb Meter großen Pferde langsam gewöhnen müßten.

Die Verhaltensweisen der Vierbeiner sowie Wasser und Nahrungsaufnahme sollen beobachtet und wissenschaftlich ausgewertet werden. »Wir konnten bereits feststellen, daß die Przewalski-Pferde einen einheitlichen Sozialverband gründeten und die gesamte Fläche für sich erschlossen haben«, erklärt Klaus-M. Scheibe vom Institut für Wild- und Zootierforschung. Offen sei verständlicherweise, wie die Pferde sich im Winter verhalten und ob sie es tatsächlich schaffen, sich ohne Hilfe von Menschen zu ernähren. Und natürliche Feinde? Die Reaktion der Pferde könne nur im Hinblick auf Insekten erforscht werden. Das Projekt habe nicht vor, Füchse, Wölfe oder andere Raubtiere in das Gehege zu lassen.

Grundlage für die seltene Aktion ist ein im vergangenen Jahr geschlossener Vertrag zwischen der Organisation zur Rettung des Przewalski- Pferdes (GMPWG) und der mongolischen Regierung, über dessen Finanzierung allerdings bis jetzt noch nicht entschieden ist. Teilweise beteiligten sich Zoos daran, und die AG hoffe auf Spendengelder, so Klaus- M. Scheibe.

In ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet sind die gelblich-grauen Pferde zum letzten Mal im Jahre 1970 gesichtet worden. Als die Menschen immer mehr Platz für sich beanspruchten, verdrängten sie die letzten dort noch lebenden Wildpferde. Der Erhalt der ursprünglichen Art ist lediglich dem Umstand zu verdanken, daß um die Jahrhundertwende einige der Pferdchen nach Europa gebracht worden waren. In Zoos und Gehegen wurden sie gezüchtet, so daß heute weltweit immerhin noch rund 1.000 dieser Wildpferde existieren.

»Bis zum kommenden Frühjahr wollen wir unseren Bestand auf 15 Wildpferde aufgestockt haben«, berichtet Frank Heyter. Schon am 13. Mai diesen Jahres werden die fünf Stuten männliche Gesellschaft aus München und Düsseldorf bekommen. Ziel sei, ungefähr zehn Stuten und einen Hengst in der Mongolei auszusetzen. Dabei sei bisher aber ungeklärt, wie letzterer an die Wildnis gewöhnt werden könne. Denn Hengste in Gruppen zu halten, sei problematisch, so Frank Heyter.

Gezüchtet werde jedoch weiterhin nur in Zoos. »Wir hatten nicht vor, einen Hengst auf die Wiese zu stellen, der sich dort dann vergnügen kann«, so Heyter. Die genetisch wertvolleren Pferde sollten für die Zucht verwendet werden, heißt es. Nicht der Augenschein sei dann das Kriterium, sondern beispielsweise die Robustheit der Tiere. Die anderen werden individuell beurteilt, ob sie sich für ein Leben in der Steppe eignen. »Auch dort wird eine Hintergrundbetreuung nicht zu vermeiden sein. Sonst sind die Überlebenschancen zu gering«, meint Frank Heyter.

Könnten die vielen Besucher den Prozeß der Auswilderung nicht stören oder gar verhindern? Heyter verneinte diese Frage. »Zu Anfang kamen natürlich viele Leute, aber nach unseren Beobachtungen pendelt es sich auf 200 bis 250 pro Woche ein.« Von der bereits im Bau befindlichen Aussichtsplattform könnten die Leute die Tiere beobachten und würden nicht stören. Zudem werden die Pferde rund um die Uhr bewacht. Es sei schon jetzt zu beobachten, daß sie scheuer geworden seien.

Eine der Stuten scheint noch nicht vergessen zu haben, daß von Zweibeinern etwas zu erwarten sein könnte, und nähert sich neugierig dem grobmaschigen Zaun. Anfangs noch unentschlossen und scheu, dann aber immer vertrauensvoller kommen auch die anderen näher heran. Und manche Besucher können es sich trotz eines Hinweisschildes nicht verkneifen, die Tiere anzufassen, obwohl sie möglichst keinen Kontakt mit Menschen haben sollten.

Die Gemeinde Liebenthal bemüht sich eifrig, die von Berlin rund 50 Kilometer entfernt liegende Attraktion touristengerecht anzubieten. Ein Stückchen gemähte Wiese rund 500 Meter vor dem Gehege dient bereits als Parkplatz. »Kutschen fahren die Besucher für fünf Mark bis zum Gehege, bislang jedoch nur am Wochenende und an Feiertagen«, sagt Ingeborg Kirchmann. Für die sportlicheren Gäste gebe es bereits einen Fahrradverleih. Susanne Landwehr