LIEBER EIN SEX-TEMPEL ALS ASYLBEWERBER IN BURTENBACH

Bayerischer Salto morale

Burtenbach (taz) — Die Bürger von Burtenbach (2.200 EinwohnerInnen) waren empört. Sogar die Kinder kannten schon diese berüchtigte Telefonnummer 418. Nur widerwillig liest Bürgermeister Hans Rößner (Freie Wähler) Auszüge aus der Telefonansage des Clubhotel St.Tropez vor: „Hallo, hallo! Freizeit für tolerante Paare. Lust auf fremde Haut — das ist unser Motto! In unserem gemütlichen Restaurant können Sie den Traum von Erotik genießen... Bei uns tragen die Damen schöne Reizwäsche, Tanga oder Bikini, die Herren Slip oder Badehose...“

Die Bürger begehrten auf, beschwerten sich bei ihm, berichtet der Bürgermeister, für den klar war: so sollte das nicht weitergehen dort vorne am Ortseingang, im Nobelhotel, das so schnell nach der Einweihung zweckentfremdet wurde. Wo es doch die beiden Ortsgeistlichen sogar ökumenisch geweiht hatten. Die Moral war gefordert, und das zuständige Landratsamt in Günzburg machte kurzen Prozeß. Das Clubhotel St.Tropez mit seinen großzügigen Spielwiesen, den Spiegelzimmern und der Liebespyramide, das laut Pächter absolut nichts mit einem Edelbordell zu tun hat, wurde kurzerhand geschlossen. „Aus baurechtlichen Gründen, weil eine andere Nutzung als erlaubt vorgenommen wurde“, wie der Pressesprecher im Landratsamt beteuert.

Die Welt schien wieder heil zu sein in Burtenbach an der Mindel. Bis zu jenem Tag, als Pächter Eberhard H. das tat, was der evangelische Pfarrer Horst Kluge als einen „ganz üblen Trick auf dem Rücken wehrloser Leute“ bezeichnet. H. ließ anklingen, wenn es denn nicht anders ginge, müsse er wohl die Räume an die Regierung von Schwaben vermieten und so zirka 60 Asylbewerber hier unterbringen.

So plump die Methode auch sein mag, und so deutlich die Regierung von Schwaben auch gesagt hat, daß das Hotel viel zu teuer und zu nobel für eine Unterbringung von Asylbewerbern sei — die Tour hatte Erfolg. Plötzlich war nichts mehr zu hören von moralischen Bedenken gegen den sogenannten Pärchenclub, den viele zuvor als Edelpuff bezeichnet hatten. „Uns hat's nie gestört. Das ist doch zehnmal besser, als wenn da Asylanten reinkommen würden“, befindet ein älterer Nachbar, der mit unterschrieben hat. Seine Schwiegertochter stimmt ihm zu: „Uns ist der Pärchenclub völlig wurst. Die stören uns nicht, die verhalten sich ruhig.“ Die Nachbarin, von der man sagt, sie hätte die Unterschriftensammlung initiiert und von Herrn H. einen schönen Blumenstrauß bekommen, versichert, Herr H., habe nie Blumensträuße verteilt. Sie will nur eins, nämlich ihre Ruhe. „Der hat gesagt, da kommen so an die 50 Asylanten da rein. Also, ich bin bestimmt nicht ausländerfeindlich, bestimmt nicht. Aber das — nein! Außerdem — was ist das schon, wenn der mal jemandem einen Blumenstrauß gibt?“

Jedenfalls war mit einem Mal vergessen, was einen der ihren sogar zu einem Schreiben an den Bischof in Augsburg veranlaßt hat. Nichts mehr ist in Burtenbach davon zu hören, daß dieser Sex-Tempel in ihrem Dorf nicht sein dürfe. Wenn nur ja keine Asylbewerber herkommen! Und der Bürgermeister kann gar nicht oft genug betonen, daß er Verständnis für diese Leute hat, die Angst vor den Asylbewerbern haben. Nicht daß er ausländerfeindlich sei, aber das müsse man eben schon verstehen.

Pächter Eberhard H. will derzeit kein Interview geben. Das sei noch zu früh, meint er, der von sich selbst sagt, er habe früher einmal „sehr edle Häuser“ betrieben. H. baut auf eine neue Nutzung, die er auch schon beantragt hat: gewerbliche Vermietung. Die wiederbekehrten Pärchenclub-Befürworter von Burtenbach sprechen seit einigen Tagen immer wieder davon, daß das Hotel ja auch Vereine mieten könnten. Sie sagen es so, als ginge es um den Sportverein aus dem nahen Thannhausen. Aber wenn man dann einfach einmal die einst ebenso verwunschene wie berüchtigte Telefonnummer 418 anwählt — im Clubhotel St.Tropez, wo schon lange die Rolläden herabgelassen sind — dann hört man eine freundlich-erotische Männerstimme: „Hallo, hallo! Hier meldet sich der Verein für Körperkultur und Freizeitgestaltung. Wir treffen uns am Freitag, 8.Mai und Samstag 9.Mai um 20 Uhr im Club-Hotel St.Tropez... Hier eine kurze Wegbeschreibung...“ Klaus Wittmann