KOMMENTAR
: Bangkok probt die Revolte

■ Das thailändische Militär hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt

Bangkok probt die Revolte Das thailändische Militär hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt

Als in der vergangenen Woche täglich über hunderttausend DemonstrantInnen den Rücktritt des thailändischen Regierungschefs Suchinda forderten und das Militär immer drohendere Warnungen ausstieß, da wurden Erinnerungen an das Jahr 1976 wach. Damals hatten vor allem StudentInnen gegen die Herrschaft der Armee demonstriert. Die schlug den Protest mit unbarmherziger Brutalität nieder und trieb viele der Prostestierenden in den Untergrund. Daß es diesmal nicht zu einem ähnlichen Drama kam, liegt auch an einem spezifisch thailändischen Faktor in der Politik: der quasi sakrosankten Stellung des Königshauses. Auf „Majestätsbeleidigung“ steht bis heute Gefängnisstrafe. Und jede neue Regierung muß sich sehr schnell des königlichen Segens versichern. Nur so kann sie ihre Legitimität vor der Bevölkerung „beweisen“. Das gilt auch für Putschisten. Diese anachronistisch anmutende Institution hat sich am Wochenende als segensreich erwiesen. Der König sprach am Freitag ein Machtwort, verhinderte damit eine gewaltsame Niederschlagung der Proteste und bewegte den populären Oppositionsführer Chamlong zur Beendigung seines Hungerstreikes. Zugleich versprach er eine Verfassungsreform, die den Forderungen der Opposition Rechnung tragen soll, daß an der Spitze der Regierung nur jemand stehen darf, der/die auch gewählt wurde. Daß eine Katastrophe wie 1976 abgewendet wurde, ist vor allem jedoch auf eines zurückzuführen: eine veränderte Opposition. Zwar konnten sich die militärgesteuerten Parteien bei den letzten Wahlen noch durchsetzen, doch nur auf dem Lande und durch massiven Stimmenkauf. Vor allem in Bangkok hat sich dagegen eine oppositionelle Kraft entwickelt, die der rapiden wirtschaftlichen Entwicklung des Landes in den 80er Jahren entspricht. Dazu gehört das Entstehen einer aufstrebenden Mittelschicht, die nun ihre Teilhabe an der Politik und eine gerechtere Verteilung des Reichtums verlangt. Dazu zählen auch all diejenigen, die in den achtziger Jahren aus dem Untergrund zurückgekehrt sind und den Marsch durch die Institutionen angetreten oder sich in sozialen und Umweltorganisationen engagiert haben. Angesichts des Zorns dieser städtischen Bevölkerung über die Habgier und Korruption des seit 60 Jahren weitgehend unangefochtenen Militärs ist auch die Faszination verständlich, die der asketische Buddhist und Oppositionsführer Chamlong ausübt. Und schließlich erweist sich die Haltung des Militärs auch für die thailändische Wirtschaft und die ausländischen Investoren als zunehmend hinderlich. Jutta Lietsch