Der steinige Weg der PLO-Reformer

Der Flugzeugabsturz Arafats hat die Nachfolgefrage aufgeworfen/ Der Ruf nach einer Veränderung der politischen Struktur wird lauter/ Die israelisch besetzten Gebiete als Motor für Reformen  ■ Aus Amman Lamis Adonis

Kaum war PLO-Chef Jassir Arafat nach seiem Flugzeugabsturz in der libyschen Wüste Anfang April auf wundersame Weise wieder zum Leben erwacht, da mehrten sich auch schon die Stimmen innerhalb der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), die nach politischen Reformen und einer kollektiven Führung riefen.

Obwohl solche Rufe nicht neu sind, hatte das fünfzehnstündige Verschwinden Arafats bei seinen Anhängern und Kritikern die Alarmglocken klingeln lassen. Es war offenbar geworden, daß der Tod des Mannes, der den palästinensischen Nationalismus wie kein anderer zehn Jahre lang symbolisierte, das Ende der PLO bedeuten könnte. Obwohl Arafat bei seiner Rückkehr aus der libyschen Wüste als unumstrittene Führungspersönlichkeit gefeiert wurde, erinnerte der Unfall die Palästinenser daran, daß es keinerlei Mechanismus für die Wahl eines Nachfolgers gibt und sich die Institutionen der PLO im Verfall befinden.

Im Vorfeld des jüngsten Treffens des PLO-Zentralrats (siehe Kasten) war Arafat unter enormen Durck geraten: Politische Reformen sollten eingeleitet und eine kollektive Führung gebildet werden. Derartige Forderungen, obschon keineswegs neu, wurden in den letzten Jahren verstärkt hervorgebracht. Der Verlust des regionalen Verbündeten Irak und das Abtreten der UdSSR als internationaler Bündnispartner ließen die Rufe der Reformer noch lauter werden.

Seit die PLO akzeptiert hat, von den Nahost-Friedensverhandlungen offiziell ausgeschlossen zu sein, ist sie noch verwundbarer geworden. Sechs Monate bisher ergebnisloser Gespräche und die anhaltende Weigerung der USA und Israels, mit der PLO direkt zu verhandeln, haben diesen Effekt verstärkt.

Ernüchterung bei zahlreichen Kadern

Viele innerhalb der PLO fürchten nun, daß die USA und Israel die Rolle der PLO als Vertreterin des palästinensischen Volkes erfolgreich beenden werden, wenn sich die Organisation nicht von innen her reformiert. Sie beschweren sich, daß die PLO- Insitutionen nicht mehr effektiv seien und ihren revolutionären Schwung verloren hätten. Qualifizierte Palästinenser aus der jüngeren Generation fühlen sich daher dort nicht mehr aufgehoben. Sie wollen sich nicht in einem der PLO-Büros verschleißen lassen. Viele der PLO- Kader haben ihre Illusionen verloren und befürchten, daß sie Jahre ihres Lebens verschwendet haben und sie an anderer Stelle dem nationalen Kampf dienlicher gewesen wären. Während die einen sich resigniert ihrem Schicksal überlassen, die anderen überlegen, auszutreten, rufen wieder andere nach Reformen. Berichte über die wuchernde Korruption, vergeudetes Geld und über den relativ hohen Lebensstandard einiger führender PLO-Politiker haben die Kritik nur noch verstärkt.

Trotzdem konzentriert sich die Debatte — vielleicht mit Ausnahme der islamistischen Hamas-Bewegung, die die PLO ersetzen will — auf den Erhalt der Organisation. Hardliner fordern, daß die PLO die Nahost-Verhandlungen abblasen und so die Bewegung retten soll. Die Mehrheit allerdings, einschließlich vieler, die den Friedensprozeß mit Skepsis beobachten, argumentiert, daß die PLO ihre Taktik überdenken und sich demokratisch öffnen müsse. Es herrscht nahezu Übereinstimmung, daß der palästinensische Widerstand nur so am Leben erhalten und die Verhandlungsposition gestärkt werden kann. Die meisten palästinensischen Gruppierungen streben nun eine kollektive Führung an. Damit sollen Alleingänge Arafats verhindert und der Entscheidungsprozeß auf eine breitere Grundlage gestellt werden. „Die wichtigen Entscheidungen werden nur von einem kleinen Kreis rund um Arafat getroffen. Selbst das PLO-Exekutivkomitee ist machtlos und weiß oft gar nicht mehr, was tatsächlich gerade passiert“, klagt ein PLO-Offizieller.

Isoliert wie selten in der arabischen Welt

Gleichzeitig sind sich auch die schärfsten Kritiker Arafats dessen bewußt, daß ein Machtkampf die Position der PLO endgültig untergraben würde. Und dies in einer Zeit, in der die Organisation mit ihrem dringenden Bedarf an finanzieller Unterstützung so isoliert wie noch nie in der arabischen Welt dasteht. Die Ölstaaten hatten als Antwort auf die palästinensischen Positionen im Golfkrieg die ohnehin schon zögerlichen Finanzspritzen ganz eingestellt. Es ist kein Geheimnis, daß Saudi-Arabien finanzielle Hilfe für Palästinenser und deren Institutionen in den besetzten Gebieten verspricht, um sie so von der PLO wegzulocken. Die Golfstaaten weigern sich auch, ihre Beziehungen zur PLO wieder aufzunehmen, und bemühen sich statt dessen, die Position der Organisation während arabischer und islamischer Treffen zu isolieren.

Manche fürchten, daß die Debatte über Reformen nur ein Deckmantel für verschiedene Gruppen ist, ihren Anteil an der Macht und ihre Sitze in den PLO-Institutionen zu erhalten. „Wir wollen nicht, daß der Ruf nach Reformen nur ein Deckmantel für die Gruppierungen darstellt, unter dem sie um bürokratische Erfolge konkurrieren“, bemerkt Dr. Hilal, Mitglied der DFLP, die von Yasser Abed Rabo geführt wird.

Viele palästinensische Analytiker glauben, daß es nicht darauf ankommt, ob sich die Führung der PLO weigert, sich diesen Problemen zu stellen oder nicht. Die neue Generation, die sich bereits von der Führung entfremdet fühlt, wird in jedem Falle Veränderungen herbeiführen. Der Motor für zukünftige Veränderungen, so die Einschätzung, wird wahrscheinlich innerhalb der besetzten Gebiete zu suchen sein.