Bosnische Kroaten gegen Grüne Barette

■ 30 Kilometer von Sarajevo entfernt etabliert sich das kroatische Herceg-Bosna/ Kroaten von Kiseljak haben sich mit Serben arrangiert/ Heftige Kämpfe in Sarajevo/ Serben gegen die Armee

Sarajevo (afp/taz) — Wer den moslemischen Weiler Rakovica im serbisch kontrollierten Teil Bosnien- Herzegowinas verläßt, stößt nach wenigen Metern unvermittelt auf ein aus Beton errichtetes Schilderhäuschen. Auf der einen Seite ist mit Hand das Wort „Zollgrenze“ angeschrieben. Auf der anderen Seite weht die kroatische Flagge mit dem rotweißen Schachbrettmuster. „Hier betreten Sie Herceg-Bosna“, sagt der Wachtposten. Nur 30 Kilometer westlich von Sarajevo beginnt das von den Kroaten beanspruchte Gebiet. Zwischen den serbisch kontrollierten Randgebieten und dem kroatisch dominierten Stadtzentrum von Kiseljak herrscht derzeit friedliche Koexistenz. Die bosnische Regierung hat hier nichts mehr zu sagen.

In Kiseljak vertrödeln unbeschäftigte Männer in Militärhemden ihre Zeit auf den Straßen oder den Terrassen der Cafés. Ihre Arbeitsplätze in den Fabriken der Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas können sie wegen des serbischen Belagerungsringes um Sarajevo nicht mehr erreichen. „Unsere einzige Verbindung mit der Außenwelt ist der kroatische Adriahafen Split. Von dort versorgen uns Hilfskonvois der Caritas, die über die Berge kommen“, sagt Andrija, ein 40jähriger Arbeiter, heute Chef eines Trupps der kroatischen Kampfverbände in Bosnien. „Wir leben hier in einer Oase des Friedens, und das soll auch so bleiben“, erklärt er. Schießen werde er nur zur Verteidigung von Kiseljak. Schließlich sei Kiseljak die erste bosnische Stadt, aus der sich die jugoslawische Armee zurückgezogen habe, ohne daß ein Schuß gefallen sei, erklärt Andrija.

Am Stadtrand steht die Kaserne der früheren jugoslawischen Bundesarmee, die vor vierzehn Tagen von kroatischen Kämpfern umzingelt und schließlich friedlich an die Kroaten übergeben wurde. Heute werden dort von der Armee zurückgelassene Jeeps und Lastwagen repariert und neu lackiert. Vor Ort gefertigte Nummernschilder mit dem Siegel des kroatischen Verteidigungsrates werden angebracht. Die Kaserne steht jetzt unter dem Kommando von Tiho Blasic, einem früheren Hauptmann der Bundesarmee.

Der 31jährige verließ die jugoslawischen Streitkräfte im August nach der Slowenienkrise und kehrte in seinen Heimatort Kiseljak zurück, um ihn zu verteidigen. Jedoch gebe es in der 1.500 Mann starken Truppe, die er befehlige, einige junge Bosnier kroatischer Volkszugehörigkeit, die als Freiwillige an der kroatischen Front gekämpft hätten. Nach Blasics Auffassung ist der Verteidigungsrat die legale Armee des kroatischen Volkes Bosnien-Herzegowinas: „Die bosnische Territorialverteidigung hat hier nichts zu suchen“, sagt er unverblümt. Die Serben ließen Kiseljak in Ruhe, weil sie keinen Ansprüche auf das Gebiet hätten: In der Stadt selber lebten lediglich drei Prozent Serben. Kiseljak sei aufgerufen, Teil eines kroatischen Kantons zu werden und sich nach Westen zu orientieren, sagt Blasic, der auch örtlicher Parteisekretär der „Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft“ (HDZ) in Bosnien ist.

Die Moslems, immerhin 42 Prozent der Bevölkerung Kiseljaks, halten sich vom Hauptquartier des kroatischen Verteidigungsrates fern. In einem Hotel versuchen einige von ihnen, eine zu Sarajevo haltende Territorialverteidigung auf die Beine zu stellen. „Die Serben und Kroaten haben sich auf Kosten der Moslems miteinander arrangiert“, klagt Cead Fejzic, einer der örtlichen Führer der moslemischen „Partei der Demokratischen Aktion“ (SDA). Bei den Verhandlungen über die Übergabe der Kaserne der Bundesarmee seien die Moslems übergangen worden. Zudem habe der kroatische Generalstab in Kiseljak heimlich ein Nichtangriffsabkommen mit den in der Umgebung stehenden serbischen Verbänden geschlossen. Nur wenn die Muslimanen sich bewaffneten, gäbe es für sie eine Chance, als ernsthafte Partner betrachtet zu werden. Jedoch werde seine Partei auch im Fall eines bewaffneten Konfliktes nicht den ersten Schuß abgeben. In einem Nachbarort, in Bosovaca, sind Schüsse zwischen Kroaten und Muslimanen gestern schon gefallen. Und da jetzt auch serbische Milizionäre den Abzug von Armee-Einheiten aus der Marschal Tito-Kaserne in Sarajevo gewaltsam verhindern wollen, ist die Lage in Bosnien noch unübersichtlicher geworden. Helene Despic-Popovic