: Knast für Dobermannwürger
■ Sechs Monate und Hundeentzug wegen „Rohheit gegen ein Wirbeltier“
„Wilhelm P. (44) soll seinen Dobermann- Rüden stranguliert, ihn an der Leine durch die Luft geschleudert und ihn im Fahrstuhl mehrfach stark in die Weichteile getreten haben“. Im Bremer Amtsgericht setzt sich ein schmächiger schwarzgekleideter Mann in Positur: „Ich bin doch nicht Rambo! Mein Hund wiegt 50 Kilo, ich nur 47. Mein Rücken ist kaputt, ich hab Gelenkrheuma und keine Kniescheiben mehr. Mein Hund könnte eher mich umbringen als ich ihn.“
Die ganze Geschichte, schäumt P.,sei erstunken und erlogen und überhaupt nur der Racheakt eines Fahrstuhlmonteurs, und zwar: Er wohne in Tenever, und da sei ständig der Fahrstuhl kaputt, und darum gebe es immer Streit. „Die Firma Sch. macht da mit uns den Harras. Für die sind wir nur asoziale Schweine.“ Also, auch an dem besagten Tag habe es Krach gegeben, und der Monteur sei auf ihn, P., im Fahrstuhl losgegangen. Er, P., habe den Hund zurückgehalten und zugesehen, aus dem Lift zu kommen. „Mehr war da nicht. Der will sich an mir rächen.“
Sieht so die fleischgewordene Hinterhältigkeit aus? Diethard W. ist ein gemütlicher Mann. An dem besagten Tag sei er wegen des defekten Lifts gerufen worden. Schon auf der Straße sei ihm P. entgegengekommen und habe auf ihn eigeredet. W.: „Ich weiß aber schon, wie man Fahrstühle repariert.“ Vor dem Haus sei eine Gruppe Jugendlicher gewesen, vor denen sich P. als Hundedresseur zu beweisen versucht habe. Nur der Hund habe nicht so richtig mitgemacht. P. habe den Hund gepackt und herumgezerrt. „Der Hund ist richtig mit den Vorderbeinen abgehoben. Und dann hat er ihn mit dem Halsband gewürgt.“ Als er einige Zeit darauf mit dem reparierten Fahrstuhl ins Erdgeschoß gekommen sei, seien einige Hausbewohner, darunter P. mit seinem Hund, zugestiegen. Der Hund sei nervös geworden. Das habe P. so aufgebracht, daß er den Hund wieder gewürgt, herumgerissen und schließlich mehrfach mit dem Hacken in die Weichteile getreten habe, daß dieser vor Schmerzen gejault habe. „Da hab ich den Fahrstuhl angehalten und ihn samt seinem Hund rausgeschmissen. Am nächsten Tag habe ich dann Anzeige erstattet.“
Richter Nordhausen wirft einen Blick auf die dicke Akte zur linken: „So ganz ohne Grund sind Sie doch nicht hier.“ Und der Richter läßt sich viel Zeit, die Akte zu verlesen: vier Monate mit Bewährung für Tierquälerei, eine Körperverletzung, eine fahrlässige Körperverletzung dafür fünf Monate, und immer habe es sich um den Hund gedreht. Nach dem letzten Urteil sei der Dobermann ins Tierheim gekommen. P. hatte ihn geschlagen, am Balkongitter angezurrt und mit Wasser übergossen. Erst in der Berufung habe man ihm den Hund wieder zugesprochen. Bei P. fallen sämtliche Klappen: „Vom OT dem Hauswart sein Hund, da spielt mein Hund immer mit. Aber wenn das so ist, daß hier irgendwelchen Geschichten geglaubt weren, dann sag ich gar nichts mehr. Ich kämpfe um meinen Hund.“
Der Staatsanwalt versucht, goldene Brücken zu bauen. P. solle sich überlegen, den Hund freiwillig abzugeben. Der Staatsanwalt wisse nicht, wo sonst er eine günstige Sozialprognose festmachen solle. Eine höhere Strafe sei wegen der Vorstrafen sonst unausweichlich. P. läßt sich auf gar nichts ein: „Ich kämpfe um meinen Hund.“ Und P. kassiert sechs Monate Freiheitsentzug ohne Bewährung und für drei Jahre das Verbot, einen Hund zu halten. Das letzte Bild von P. ist ein wehender schwarzer Mantel im Gerichtsflur und heftige Verwünschungen: „Nazi-Staat das! Der Typ von Sch. soll sich nochmal sehen lasen. Dann fahr ich länger ein, weil ich dem ...“ Jochen Grabler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen