»... sage niemals nie«

■ Künstlerinnen aus Ost-Berlin stellen sich in Hohenschönhausen mit Malerei, Grafik und Plastiken vor

Das Gelände um den Obersee im Stadtbezirk Hohenschönhausen gehört wohl zu den schönsten Wohngegenden der Stadt. Zu DDR-Zeiten war die Stasi Besitzer der meisten Häuser in dieser Gegend. Anfang 1980 gelang dem Bürgerkomitee zur Auflösung von MfS- Objekten, was heute, nur zwei Jahre später, kaum noch denkbar wäre: Die Mitglieder des Komitees setzten sich gegen einen starken Konkurrenten, Bertelsmann, durch und erreichten, daß ein Großteil der Häuser zu kulturellen Zwecken zur Verfügung gestellt wurde. Dazu gehören die Galerie Grahl in der Käthestraße (früher ein Haus der Spionageabwehr) und das Mies-van-der-Rohe-Haus, ein Klinkerbau aus den zwanziger Jahren mit Blick und direktem Zugang zum Obersee. Vormals diente es als Aufenthaltsraum für Wachmannschaften und übriges Stasi-Personal.

In diesen beiden Häusern gibt es im Mai eine Ausstellung zu besichtigen, die Malerei, Grafik und Plastik von Ostberliner Frauen zeigt. Die Ausstellung mit dem Titel eigen art ost frau ist Teil eines ABM-Projekts, in dem Frauen verschiedener Berufe versuchen, mit den Erfahrungen der Nachwendezeit zurechtzukommen und eine neue Identität unter veränderten Bedingungen (wieder)zufinden. Neben bildenden Künstlerinnen gehören eine Musikerin, eine Germanistin, eine Autorin, eine Ökonomin und ein Kameramann dazu. In der Galerie Grahl, die privat geführt wird und deren Betreiber auch am Sonntagnachmittag bereitwillig Auskunft geben, sind Malerei, Plastik und Fotografie zu sehen. In verschiedenen Techniken tauchen alte Themen wie Liebe oder das Verhältnis von Mann und Frau immer wieder auf. Die Bilder von Ursula Wagner bestechen durch faszinierende Formen und ein Blau, das in Abstufungen von Hellblau bis fast Schwarz in einer ungeheuren Leuchtkraft den Blick lange auf sich zieht und die Bilder im Kopf bleiben läßt. Ein Titel: »Wer noch lebt, sage niemals nie«.

Kerstin Grimm zeigt Menschenkörper in angedeuteten Konturen. Ein Mann beugt sich über einen lang hingestreckten Frauenkörper. Die Arbeit assoziiert auch die Grablegung Christi. Düstere Farben, bedrohlich, voll Trauer. Eine plastische Arbeit derselben Künstlerin nimmt die Mitte des Raumes ein. Gebilde, nicht länger als eine Hand, sind auf dünnen Metallstangen befestigt und dadurch immer in Bewegung. Sie erweisen sich als kleine Schiffchen, in denen Figuren in klaren Haltungen, hoch aufgereckt stehen, zusammengekauert hocken. Die spitz zulaufenden Formen erinnern an Giacometti. Materialien von Kupfer bis Wachs verleihen ihnen eine Struktur, die man gern mit Händen erfühlen möchte.

Im Mies-van-der-Rohe-Haus finden sich Objekte, denen der Zugang schwerer fällt. Kleidungsstücke in Bilderrahmen gepreßt, Teile von Baumstämmen, die aufgereiht im Raum stehen und sich hinter der großen Glasfront draußen auf der Wiese fortsetzen. Auffällig ist bei allen Arbeiten der mutige Umgang mit Stoffen. Der Kunstverein am Obersee, der als Träger dieses ABM-Projektes zeichnet, begleitet die Ausstellung mit Veranstaltungen, die Arbeiten der anderen Projektteilnehmerinnen vorstellen. So gibt es am 20. Mai ein Gespräch über Alltag und Kunst von Ost- und Westfrauen. Sibylle Burkert

Galerie Grahl: noch bis zum 24. Mai; Mies-van-der-Rohe-Haus: bis zum 7. Juni. Käthestr. 5 und Oberseestr. 60 (Tram 15, 63, 70).