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Der bewaffnete Kampf aus Mitgefühl ist am Ende

Der Kult der Gemeinschaft kann mehr Opferbereitschaft mobilisieren als die Vernunft/ Wo sie die „antiimperialistische Solidarität“ predigten, scheiterten die „Guerillas“, wo sie die eigene „nationale Befreiung“ propagierten, überlebten sie  ■ Von Erhard Stölting

Es ist auffällig, daß manche „terroristischen Vereinigungen“ mühelos zerschlagen werden, wie die „Roten Brigaden“ Italiens, oder verbleichen, wie die deutsche RAF. Andere hingegen halten sich scheinbar ohne Probleme, wie die baskische ETA oder die irische IRA. Sicherlich hängt dies mit ihrem gesellschaftlichen Rückhalt zusammen.

Die einen hatten ihre soziale Basis erst in intellektuellen, dann in ausgeflippten Subkulturen, die zwar aggressive Parolen an Hauswände malten, in Wirklichkeit jedoch schwach waren.

Ihr Rekrutierungsfeld waren selten Menschen, die selbst Unrecht erlitten hatten, sondern meist solche, die sich über das Unrecht, das sie anderen zugefügt sahen, empörten. Die „Kämpfer“ handelten aus Mitgefühl für andere — Entrechtete hier und in der Dritten Welt — und forderten immer wieder Mitgefühl bei einer liberalen Öffentlichkeit ein, wenn die Polizei oder andere bewaffnete Staatsorgane zugeschlagen hatten.

Die Bevölkerungen, vor allem deren Unterschichten, ging das nichts an. Ohne ihre zumindest stille Unterstützung aber kann sich keine „terroristische Vereinigung“ halten. Bei ihnen aber ist Mitleid unpopulär, vor allem Mitleid für Dritte.

Sicherlich gehört zum Aufbau einer kämpferischen Truppe auch Räuber- und Terroristenromantik, selbst wenn das Wort „Terrorist“ heute meist negative Assoziationen weckt. An der Sprachwahl lassen sich bereits die Positionen verorten: Die einen sprechen nur vom „Terrorismus“, die anderen vom bewaffnetem Kampf. Die Methode, das Töten von Menschen bis hin zum Massaker, ist seit altersher ein kalkuliert eingesetztes Instrument, um Angst zu bewirken.

Auf jeden Fall nimmt der „Terrorist“, wie jeder anständige Mensch, den berechtigten Kampf des Guten gegen das Böse für sich in Anspruch. Grausame Mittel aber lassen sich mit der Unerträglichkeit der Zustände und der sittlichen Wünschbarkeit des Zieles rechtfertigen.

Sicherlich muß unterschieden werden zwischen dem staatlichen Terror und dem bewaffneter oppositioneller Gruppen, die Überfälle oder Attentate begehen. In den siebziger Jahren war es eine Weile lang zudem üblich, zwischen einem typisch „rechten“ Terror und einem typisch „linken“ Terror zu unterscheiden: Linke würden nur herausragende Symbolfiguren umbringen, um „emanzipatorische Bewußtseinsprozesse“ in Gang zu setzen und die Verletzlichkeit des bestehenden Regimes zu demonstrieren. Rechte hingegen würden das Massaker bevorzugen, um massenhaften Schrecken zu verbreiten und Stimmung für einen Ordnung schaffenden Putsch zu fördern. Als Musterbeispiel hierfür galt das neofaschistische Attentat im Bahnhof von Bologna 1980.

Aber so recht stimmte diese Klassifikation nie. Wo gehobelt wurde, fielen Späne. Es war nur wichtig, daß nicht die falschen Späne fielen und daß die Aktionen in der unterstützenden Gesellschaft verständlich blieben. Denn Weiterleben oder Untergang der Organisationen hängen offenbar doch sehr mit der Art und der Verständlichkeit der angestrebten Ziele zusammen — über die immer vorgebrachte Behauptung hinaus, daß es um Recht und Freiheit gehe. Und gleichgültig wie ihre politische Praxis aussah, waren eine entscheidende Schwäche der linken Subkulturen ihre Ziele: die Verwirklichung von Vernunft und die Aufhebung von Herrschaft; kollektive Freiheit als Vorbedingung individueller und nicht als Selbstzweck. Das begeisterte die „Volksmassen“ nicht sehr.

Daher baute die Linke dann doch eher eine parareligiöse Kultur der Selbstunterwerfung auf. Wo sie an die Macht gelangte, verwandelte sie politische Öffentlichkeit in eine Kultstätte.

Gerade das hat ihren zeitweiligen Erfolg mitbegründet. Der Kult der Gemeinschaft, das identifikatorische Aufgehen im großen, starken und guten Kollektivsubjekt kann eben mehr Opferbereitschaft mobilisieren als die Vernunft. Nationale Ziele — die nationale Befreiung, das nationale Überleben und so weiter — können daher allemal mit großer Popularität rechnen und Terror rechtfertigen helfen.

Der Kampf gegen ein Herrschaftssystem, eine Gesellschaftsordnung oder Ausbeutungsmechanismen überfordert vielleicht die intellektuellen Fähigkeiten der meisten Menschen — in der Regel sogar die der Kämpfer selbst, wie das Beispiel RAF zeigt.

Der Gegner muß eine greifbare menschliche Gestalt besitzen; er muß — als Russe, Amerikaner, Jude, Katholik, Araber, Türke, Spanier oder Engländer — eindeutig identifizierbar sein. Dann hat er auch keinen Anspruch auf Mitleid mehr.

Warum die RAF Rohwedder umbrachte, verstand nicht einmal ihr eigenes Umfeld. Fast jedem katholischen Nord-Iren hingegen ist die Bombe in einem Londoner U- Bahnhof plausibel, auch wenn er sie mißbilligt.

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