Santiago liegt bei Trends in Führung

Erste Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen auf den Philippinen/ Autoritär-konservative Politikerin  ■ Von Sven Hansen

Berlin (taz) — Eine kleine Überraschung präsentieren die ersten Trendmeldungen der philippinischen Präsidentschaftswahlen nach der Auszählung von etwa vier Prozent der abgegebenen Stimmen: Mit über 20 Prozent liegt die Juristin Miriam Defensor Santiago in Führung vor General Fidel Ramos, dem Kandidaten Corazon Aquinos, und Eduardo Cojuangco, einem der reichsten Geschäftsmänner des Landes.

Allerdings ist unklar, ob die bisherigen Hochrechnungen landesweite Trends ausdrücken oder nur die Meinung in Manila widerspiegeln. So ist damit zu rechnen, daß sich die Ergebnisse der reichen Kandidaten Cojuangco und Mitra noch verbessern werden, da ihre Parteiorganisationen bis in den letzten Winkel des Landes reichen und sich auf zahlreiche Potentaten stützen können. Miriam Defensor Santiago ist in der Mittelklasse beliebt, die in Manila stark vertreten ist. Viele Beobachter haben die Repräsentativität der Meinungsumfragen angezweifelt, bei denen sie gestern in Führung lag. Denn über Telefone verfügt die arme Bevölkerungsmehrheit nicht, die zudem besonders anfällig für Stimmenkauf ist.

Sollte sich der Trend bestätigen, hätte Santiago ihre in den Umfragen gezeigte Beliebtheit in Stimmen umgesetzt. Dies ist überraschend, weil ihr zwei bisher für den Wahlsieg nötig gehaltene Voraussetzungen fehlten: Geld und eine landesweite Parteiorganisation. Ihre Volksreformpartei verfügt über nur 12 hauptamtliche MitarbeiterInnen, keine KandidatInnen mit zugkräftigen Namen und begrenzte finanzielle Mittel.

Santiagos Abschneiden deutet auf eine Änderung im Wählerverhalten hin: Abstimmung nach politischen Kriterien statt nach finanziellen Erwägungen wie Stimmenkauf oder feudale Abhängigkeiten. Dies drückt eine starke Unzufriedenheit mit den herrschenden Verhältnissen und Politikern aus, die die Interessen der traditionellen Clans vertreten.

Die 46jährige Santiago aus der mittelphilippinischen Stadt Iloilo vertritt keinen Clan. Sie will deren Macht unangetastet lassen, sofern sie sich einer rigiden kapitalistischen Modernisierungspolitik fügen. Herausragender Punkt ihres Images und ihres Wahlkampfes ist ihr manischer Kreuzzug gegen Korruption, ein traditionelles Wahlkampfthema, das sie meisterhaft beherrscht. Als ehemalige Chefin der korruptionsverseuchten Einwanderungs- und Deportationsbehörde hat sie sich einen Namen als gnadenlose Korruptionsjägerin gemacht. Gerüchte, nach denen auch sie und ihr Mann in Korruption verwickelt waren, hat sie nicht endgültig aus der Welt schaffen können.

Santiago ist keine traditionelle Politikerin im engen Sinne, sondern eine autoritäre, konservative Technokratin, deren Vorbild Singapurs starker Mann Lee Kwna Yen ist. Um dem von ihr versprochenen harten Vorgehen Nachdruck zu verleihen, hat sie sich oft beim Schießtraining filmen lassen. Sie tritt wie General Ramos für die Todesstrafe ein. Unter ihren Parlamentskandidaten befinden sich von allen Parteien die meisten Militärs. Die Beliebtheit ihres autoritären Auftretens erklärt sich nicht zuletzt aus dem Kontrast zum Führungsstil Corazon Aquinos, der immer wieder Führungsschwäche vorgeworfen wurde.

Programmatisch hat Santiago außer ihrem überstrapazierten Korruptionskampf nicht viel zu bieten. Sie tritt für eine weitere Öffnung des Landes für ausländische Investoren ein, hätte den im letzten Jahr vom Senat abgelehnten US-Militärbasenvertrag gern unterzeichnet und ist dafür, das einzige AKW des Landes endlich zu Ende zu bauen. Damit unterscheidet sie sich nicht wesentlich von den anderen konservativen PräsidentschaftskandidatInnen.

Sollte es bei Santiagos Sieg bleiben, ist die Frage, ob sie eine Mehrheit im Parlament haben wird. Das wäre nötig, um das von ihr versprochene harte Vorgehen gegen Korruption umzusetzen. Der Kongreß könnte ihre Politik stark verwässern. Auch die Todesdrohungen, die Santiago nach eigenen Worten täglich zum Frühstück bekommt, könnten vielleicht eines Tages umgesetzt werden. Es ist zu bezweifeln, daß Kandidaten wie Cojuangco und Mitra, die stark in den Wahlkampf investiert haben, einen Sieg von Santiago oder auch Ramos ohne weiteres akzeptieren würden. Viel hängt hier von den lokalen Clanfürsten ab: ob sie sich gegebenenfalls auf die Seite Santiagos schlagen, mit ihr einen Handel eingehen, oder versuchen, sie zu kippen.