Eine Doppelregierung für Südafrika

Regierung und ANC vereinbaren Bildung eines „Superkabinetts“ aus allen Parteien, das neben der derzeitigen weißen Regierung amtieren soll/ Genaue Kompetenzen müssen noch geklärt werden  ■ Aus Johannesburg Hans Brandt

In Südafrika haben sich Regierung und schwarze Oppositionsparteien am Montag abend über die Grundlagen einer ersten Übergangsregierung unter Beteiligung aller Parteien geeinigt. Das Abkommen soll am Wochenende durch die zweite Vollversammlung des „Konvents für ein demokratisches Südafrika“ (Codesa Zwei), der Vielparteienkonferenz zur Vorbereitung einer demokratischen Verfassung, ratifiziert werden. Aber obwohl alle Parteien das Abkommen vom Montag als einen „Durchbruch“ beschrieben, warnten die wichtigsten Beteiligten, daß noch immer zahlreiche Einzelheiten geklärt werden müßten.

In den Gesprächen der letzten Monate haben die Parteien sich geeinigt, daß der Übergang zu einer demokratischen Regierung in zwei Phasen stattfinden soll: zuerst die Vorbereitung freier Wahlen unter der Kontrolle aller Parteien; und nach der Wahl einer verfassunggebenden Versammlung und Interimsregierung die Ausarbeitung einer neuen, demokratischen Ordnung.

Das Abkommen von Montag bezieht sich auf die erste Phase. Es sieht die Bildung eines Übergangsrates mit exekutiven Vollmachten vor, der aus Vertretern der 19 an den Codesa- Verhandlungen beteiligten Parteien zusammengesetzt wird.

Aufgabe des Übergangsrates ist die Vorbereitung von freien Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung und gewählten Interimsregierung. Eine Reihe von untergeordneten Räten soll in Bereichen wie Regionalregierung, Verteidigung und Recht und Ordnung die Kontrolle ausüben.

Der Übergangsrat soll parallel zur derzeitigen Regierung existieren. Zwar sind die Beschlüsse des Übergangsrates, die mit einer Vierfüntelmehrheit gefällt werden müssen, für die Regierung bindend. Aber die Kompetenzen des Übergangsrates sind auf die Vorbereitung freier Wahlen eingeschränkt. Bis zu den Wahlen werden das jetzige Kabinett und Parlament die täglichen Regierungsgeschäfte kontrollieren.

Über die Kompetenzen des Übergangsrates hatten sich der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) und die Regierung monatelang gestritten. Während die Regierung ein beratendes Gremium ohne eigene Kompetenzen wünschte, drängte der ANC auf eine reale Machtabgabe an den Vielparteienrat. Dabei warf der ANC der Regierung vor, an der ausschließlichen Macht der weißen Minderheit festhalten zu wollen. Jetzt hat die Regierung dem Übergangsrat tatsächlich eigene Exekutivvollmachten zugestanden; andererseits hat der ANC eine Einschränkung der Kompetenzen des Rates akzeptiert.

Wichtig ist auch die Entscheidung, Beschlüsse der Rates mit einer Vierfüntelmehrheit zu fällen. Das bedeutet, daß kleine Gruppierungen— wie die Zulupartei Inkatha, die Einstimmigkeit in der Beschlußfassung forderte — kein effektives Veto mehr haben.

„Ein Grundsatzmodell“

Das Abkommen bedeutet allerdings nicht, daß schon in Kürze eine Übergangsregierung entstehen wird. „Wir haben jetzt zumindest ein Grundsatzmodell, das alle akzeptieren“, sagte gestern Piet Coetzer, Sprecher der regierenden Nationalen Partei (NP). „Aber es gibt viele Einzelheiten der praktischen Durchsetzung, die noch festzulegen sind.“ Dazu gehört die Forderung der Regierung, daß der ANC seine Armee auflöst, bevor er an der Regierungsmacht beteiligt werden kann.

Der ANC ist dazu erst bereit, wenn er als Mitglied einer Interimsregierung auch die staatlichen Sicherheitskräfte mit kontrollieren kann. Verschiedene Krisentreffen zwischen ANC und Regierung in den letzten Tagen haben in dieser Frage keine Fortschritte gebracht. Auch über die genauen Kompetenzen der Übergangsräte bei der Kontrolle der Sicherheitskräfte gibt es noch keine Einigung.

Deshalb warnte der ANC, daß die weiße Minderheitsregierung noch immer versuche, die Teilung ihrer Macht mit der schwarzen Mehrheit zu verzögern. „Die Regierung will bei ,Codesa Zwei‘ so wenig Fortschritt wie möglich erzielen, den Südafrikanern und der internationalen Gemeinschaft aber gleichzeitig weismachen, daß der Verhandlungsprozeß Früchte abwirft“, sagte ANC-Generalsekretär Cyril Ramaphosa am Montag.

Ramaphosa bestand darauf, daß ein Abkommen über die erste Phase des Übergangs sinnlos sei, wenn nicht auch die zweite Phase geklärt sei. Aber die entscheidende Frage, wie eine verfassunggebende Versammlung zu konstituieren ist und welche Verfassungsgrundlagen schon jetzt in Vielparteiengesprächen festgelegt werden sollen, ist nicht gelöst.

Andererseits ist die Verhandlungsposition der Regierung in den letzten Wochen erheblich geschwächt worden. Verschiedene Beweise, daß Polizei und Militär sich an politisch motivierten Gewalttaten gegen schwarze Oppositionsgruppen beteiligt haben, und auch eine Untersuchung, die weitreichende Korruption in einem wichtigen Ministerium aufgedeckt hat, haben die Glaubwürdigkeit der Regierung schwer in Frage gestellt. „Das entscheidende Hindernis auf dem Weg zu Demokratisierung und Frieden ist die Regierung von Präsident Frederik de Klerk“, sagte dazu die ANC- nahe Gewerkschaftsföderation Cosatu am Montag. Nur eine Interimsregierung könne die Gewalt in den Townships unter Kontrolle bringen.

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