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Der „politische Erfolg“ ist schwer zu verkraften

Berlin (taz) — Die Gewerkschaft ÖTV tut sich schwer mit dem „politischen Erfolg“, den sie nach Meinung ihrer Chefin Monika Wulf-Mathies im Arbeitskampf des öffentlichen Dienstes errungen hat. Auf allen Ebenen der Organisation herrscht große Unsicherheit über das Ergebnis der laufenden Urabstimmung. Dies entspricht der Ambivalenz, mit der das Ende des Arbeitskampfs an der Basis aufgenommen worden ist. Vor allem in den Arbeiterbereichen, die den Streik getragen haben, äußern viele ÖTV-Mitglieder Enttäuschung über den Kompromiß von prozentual 5,4 Prozent, obwohl gerade diese Bereiche durch die Einmalbeträge überproportional bedacht worden sind. Viele haben die Gewerkschaftsrhetorik während der Mobilisierungsphase des Streiks allzu wörtlich genommen, daß nach Ablehnung des Schlichterspruchs von 5,4 Prozent durch die Arbeitgeber nun ein deutlich höheres Ergebnis herauskommen müsse. Auch in vielen Krankenhäusern herrscht Unzufriedenheit — zumal seit einiger Zeit die Wege zu Beginn und am Ende der Arbeitszeit innerhalb der oft weiträumigen Krankenhäuser nicht mehr in der Arbeitszeit enthalten sind und deshalb auch nicht mehr bezahlt werden. So ist die Tarifauseinandersetzung für viele Krankenhausangestellte real zur Nullrunde geworden.

Eine Prognose über den Ausgang der Schlichtung wagt kaum ein ÖTV- Funktionär. Herbert Mai, Vorsitzender des ÖTV-Landesbezirks Hessen, sieht die Hauptursache für die Frustration darin, daß die 5,4 Prozent des Schlichters im Kompromiß wieder auftauchen, statt daß sie durch den Streik verbessert worden wären. „Dabei wird immer vergessen, daß wir die 5,4 Prozent ja noch nicht hatten. Sie waren ja von den Arbeitgebern abgelehnt worden.“ Bemerkenswert gelassen haben jene Besserverdienenden den Abschluß aufgenommen, die mit einer um fünf Monate verzögerten Einkommensverbesserung vorlieb nehmen mußten und deren reales Ergebnis knapp über drei Prozent liegt. Herbert Mai hat aus diesen Bereichen bisher überwiegend Zustimmung registriert — eine Beobachtung, die auch von anderen von der taz befragten hauptamtlichen ÖTV-Funktionären geteilt wird. Für dieses eine Mal, so heißt es, könne man angesichts der viel größeren Probleme in den Niedriglohngruppen eine Differenzierung zu Lasten der Besserverdienenden durchaus akzeptieren. Langfristig aber werden Probleme bei der Konkurrenzfähigkeit des öffentlichen Dienstes auf dem Arbeitsmarkt für hochqualifizierte Fachkräfte befürchtet. Die Angst der ÖTV-Führung, diese für die gewerkschaftlichen Zukunftsstrategien besonders wichtige Klientel könne sich von der Gewerkschaft nun nicht mehr vertreten fühlen, ist offensichtlich unbegründet. Martin Kempe

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