Ausländerfeindlichkeit totgelaufen

■ Knobi Bonbon: Das erfolgreiche türkische Kabarett wechselt das Thema / Identitäts-Krimi angesagt

hier zwei Männer

Ein Türke in Deutschland hat's schwer. Ahmet ist, obwohl durchaus gebildet, immer noch Straßenkehrer.

Kein Wunder! Wer glaubt schon ernsthaft, daß einer mit schwarzen Haaren und türkischem Akzent zu etwas anderem taugt? - Leichter hat's da schon sein Gegenspieler. Von der Natur mit dunkelblondem Haar und blauen Augen gesegnet ist der, trotz sprachlicher Schwierigkeiten, dafür überangepaßt. Das zeigt allein schon der fünfmal ur- deutsche Name, den er sich in Deutschland zugelegt hat: Siegfried Hagen Dickmann-Meyer, Spitzname Schimansky.

Muhsin Omurca, 33 (Ahmet)

und Sinasi Dikmen, 46 (Schimansky) sind „Knobi-Bonbon“, das wohl erfolgreichste Ausländer- Kabarett in Deutschland. Gemeinsam schlagen sie sich seit über sieben Jahren durch die Kleinkunst-Szene. Gerade hatte ihr viertes Programm, „Der Beschneider von Ulm“ Premiere bei der Münchener Lach- und Schießgesellschaft. In Bremen gastierten sie kürzlich mit Programm Nummer 2, „Putsch in Bonn“ (Thema: Ausländer- Wahlrecht), und in Oldenburg mit Nummer 3, „THE WALLs“ — über die neuen Mauern zwischen Deutschen und Ausländern seit dem Fall der Mauer.

„Es ist seitdem viel schlimmer geworden mit der Ausländerfeindlichkeit,“ sagen die Kabarettisten und erzählen von einem Auftritt bei einem Festival in Erfurt. „Wir hatten den Mund noch nicht aufgemacht, da wurden wir schon niedergebuht und beworfen.“ — Sie reagierten wie die Profis, zogen ihr Programm ungehört im Eil-Tempo durch und lehnen seither jedes Angebot aus den neuen Bundesländern ab. „Wir müssen Euch noch etwas Zeit lassen.“

In „ THE WALLs“ drückte Ahmet seine Angst vor der neuen Ausländerfeindlichkeit aus dem Osten etwas anders aus: „ 50% der Ossis hassen die Türken, obwohl sie noch nie einen gesehen haben. Allah! Was werden sie erst denken, wenn sie uns kennenlernen?“ Und dann kommt ihm die zündende Idee: Er bittet einen besonders beliebten „Ossi“, die Deutschen zur Türkenfreundlichkeit zu bekehren: Johann Wolfgang von Goethe. Der hatte nämlich selbst türkische Vorfahren. Kein Witz! Glaubt man der ZEIT (1.11.1991), dann wurde Goethes x-Mal-Ur-Großvater Sadok Seli Zoltan im Jahre 1304 als türkischer Kriegsgefangener nach Deutschland verschleppt. 1305 änderte er seinen Namen in Johann Soltan . „Und nicht ganz 450 Jahre später“, resümiert Ahmet, „trug sein türkisches Genie in Deutschland Früchte.“ Onkel Goethes Geist erscheint denn auch gnädig und gemahnt die Deutschen : „Ein Volk wie Euch kann man doch nicht sich selbst überlassen.“

Doch spätestens seit „THE WALLs“ wird immer deutlicher: Das Thema Ausländerfeindlichkeit läuft sich in der dritten Auflage langsam tot. Das haben auch die beiden Kabarettisten erkannt: Wir können nicht immer nur davon erzählen, wie schlecht es uns geht. Die Leute haben die Nase voll davon. Ihnen geht es auch schlecht.“ — Und so sei das vierte Programm, das „Knobi-Bonbon“ in Oldenburg und Bremen noch nicht vorgestellt hat, ganz anders: Eine durchgehende Krimi-Satire zum Thema „Identitäts-Suche“. „Das Thema unserer Zeit“, sagt Mushin Omurca. Und auch vielleicht die Lösung für viele Probleme. Wenn jedes Volk und jeder einzelne lernen könnte zu sich zu stehen, im Guten wie im Schlechten, dann wäre das Auskommen mit anderen leichter. Omurca: „Heute will jeder zu sich selbst finden. Aber was passiert dann? — Dann merken wir, daß keiner alleine existieren kann in unserem Jahrhundert.“

Isabelle Yeginer