Privatradio ffn verbietet „Arschkrampen“

■ Programmchef zensiert „Frühstyxradio“ weg / Machtkampf der Verleger gegen die Redaktion

Sonntag wird ein Trauertag — für die eingeschworene ffn-Fangemeinde, die sich morgens um 9 von Kurts schnarrender Stimme so gern an Gertruds Schankwirtschaftstresen entführen läßt: „18 Bier mit Zazzikki, du dämliches Gezuppel“. Kein devotes Hihihi mehr von Gürgen; bei der Rasur keine Schimpfkanonaden und Fluchorgien mehr aus den strapazierten Hälsen der beiden Arschkrampen. Aufstehen ohne Tortenarsch, Meerferkelwämser und Totgeburt, ohne all die ordinären Kreationen aus den Hirnen der ffn-Unterhaltungsredaktion.

Drei Stunden lang jede Woche: Scheiß die Wand an, Leuchtpfähle hinten rein, dämliche Drecksau.

Jetzt ist mit der analen Herrlichkeit Schluß — „ab sofort“. Par ordre de mufti verkündete Peter Bartsch, seit Januar Programmdirektor im Funkhaus in Isernhagen, das Ende der Comedy-Sendung. Dem gerade 30jährigen Bayern-Import war die „Fäkalsprache“ des Frühstyxradios schwer aufgestoßen. Vor Wochen hatte er deshalb bereits angeordnet, daß „zukünftig sämtliche Comedy-Beiträge von mir abzuhören sind, bevor sie gesendet werden“. Dem „schwitzenden Riesen-Baby“, wie der Programmdirektor schon mal intern genannt wird, sprachen alle 53 versammelten RedakteurInnen die „fachliche und menschliche Führungskompetenz“ ab.

„Das Arschkrampen-Team dankt radio ffn in Isernhagen für die Ausstrahlung dieser großartigen deutschen Abenteuer-Serie“, schrieben Dietmar Wischmeyer und Co. noch jüngst ins Booklet der neuen CD. Ein wenig ironisch, natürlich, denn hätte die Comedy-Abteilung nicht mit Figuren wie dem „Kleinen Tierfreund“, „Günther, dem Treckerfahrer“ oder „Frieda und Anneliese“ für Furore und ffn-Image gesorgt, niemand im Laden hätte sich für den minutenlang göbelnden Lufthansa-Kaptain oder Kurts röchelnde Berserker-Phantasien, mit dem „Trennschleifer allen Arschkrampen die Ohren wegzuflexen“ stark gemacht. Aber — kein anderer deutscher Hörfunksender läßt so etwas über den Äther — ein öffentlich-rechtlicher schon gar nicht. Jeder anständige Rundfunkrat von Radio Bremen hätte sich in die Hose geschissen bei dieser fulminanten Versammlung von Verbal-Injurien. Die trotzige Überzeichnung des schlechten Geschmacks im Frühstyxradio gehörte zu den besseren Seiten des Privatfunks.

Und weil die Comedy zuletzt so ziemlich das einzige war, was ffn noch von anderen Massenprogrammen unterschied, gerade darum wurde sie zur Zielscheibe der jüngsten Zensurversuche. Nach fünf Jahren hatten die ffn- Eigner, die älteren Verleger-Patriarchen aus Bremen, Oldenburg, Braunschweig, Osnabrück oder Hannover mit der Einsetzung des bis dato wenig profilierten Bayern Bartsch versucht, endlich Einfluß aufs Programm zu nehmen. Das Mißtrauensvotum der versammelten Belegschaft gegen Bartsch sahen sie auch auf sich gemünzt. Die volle Rückendeckung, die sie nun Bartsch in Sachen Comedy-Zensur versicherten, ist als Kriegserklärung gegen die Belegschaft zu werten. Die Redakteure solange provozieren, bis sie von sich aus kündigen — so interpretierte man im Haus gestern das Ende des Frühstyxradios.

Bereits am kommenden Sonntag wird eine X-beliebige Musiksendung die HörerInnen zwischen 9 und 12 verwöhnen. ffn- Fans sollen dann auch nicht über das Ableben der Satire-Sendung unterrichtet werden. Programmdirektor Bartsch untersagte es in einer Aktennotiz, „über den Sender kommentierend oder in anderer Form über das Aussetzen der Sendung“ zu berichten. Damit will er ähnliches wie an seinem Antrittstag bei ffn verhindern. Damals hatte der diensthabende Moderator über Verkehrsfunk verkündet: „Aus Richtung München kommt uns ein Geisterfahrer entgegen.“ Nadja Hofft