Arzt verschreibt Sterbehilfe auf Rezept

■ Verfahren gegen Berliner Arzt, der einer Patientin vorsätzlich ein Rezept über eine Überdosis Malariatabletten ausstellte/ Freidenker kritisieren die »Anleitungen zum Selbstmord« der DGHS

Berlin. Weil er einer Patientin eine Überdosis Malariatabletten zum Zwecke des Selbstmords verschrieben hat, strengen die Berliner Ärztekammer sowie die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen den Berliner Arzt Gert M. an. Der niedergelassene Arzt soll Anfang April einer ihm bis dahin unbekannten 42jährigen Journalistin, nachdem sie ihren Sterbewunsch geäußert hatte, ein Rezept über 50 Resochin-Tabletten verschrieben haben. Die Journalistin veröffentlichte den Fall. Ohne sie nach ihren Motiven zu fragen, habe der Arzt ihr erklärt, wie sie die Tabletten nehmen müsse, um »friedlich einzuschlafen«. Geld habe er dafür nicht verlangt.

Die Berliner Ärztekammer hat ein standesrechtliches Verfahren eingeleitet. Aktive Sterbehilfe stehe nicht im Einklang mit der ärztlichen Berufsordnung. Strafrechtlich ist die Lage komplizierter. Nach dem Strafgesetzbuch ist die pure Beihilfe zur Selbsttötung nicht strafbar. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun vorerst wegen eines Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz. Den Vorwurf der »aktiven Sterbehilfe« wies Gert M. gestern gegenüber der taz zurück. Bei der Verschreibung der, im übrigen handelsüblichen, Medikamente habe es sich um eine »humane und ethische Maßnahme« gehandelt. Jedem Menschen müsse ermöglicht werden, selbstbestimmt und unter Wahrung seiner Menschenwürde sein Leben vorzeitig zu beenden.

Gert M. ist einer von fünf Berliner Ärzten auf einer Liste der »Deutschen Gesellschaft für humanes Sterben« (DGHS), die für selbstbestimmtes Sterben eintritt. Teil der Öffentlichkeitsarbeit der DGHS ist die Broschüre »Menschenwürdiges und selbstverantwortliches Sterben«, in der Methoden, mit Hilfe von Medikamenten beschwerdefrei und friedlich für immer einzuschlafen, veröffentlicht werden.

Als »skrupellos« bezeichnet dies Grit Neumann vom Berliner Freidenker-Verband. Nach ihren Informationen versende die DGHS nicht nur Broschüren, sondern auch Medikamente. Die als »todsicher« propagierten Methoden könnten auch mit einem »qualvollen Todeskampf oder einem Weiterleben mit schweren Hirnschädigungen« enden, so Neumann. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung gegen die DGHS. Bei einer Durchsuchung der Landesgeschäftsstelle in Düsseldorf fanden Kriminalbeamte vorgestern große Mengen Schlaf- und Schmerzmittel sowie zehn Kapseln, die vermutlich Zyankali enthalten. Nach Informationen der Freidenker werden in Berlin immer häufiger »Todescocktails« für Sterbewillige angeboten. Einige Verkäufer strichen dabei nicht unerhebliche Schwarzmarktprofite ein, so Neumann. Auch ihr Verband setzt sich für eine straffreie Sterbehilfe ein. Der Arzt müsse aber ein Vertrauensverhältnis zum Patienten haben und dessen Sterbewunsch müsse »langanhaltend und eindeutig sein«. Außerdem müßten alle anderen Möglichkeiten aufgezeigt werden.

Jeder habe das Recht, sein Leben vorzeitig zu beenden, sagt der Berliner Rechtsmediziner Volkmar Schneider. Die DGHS-Veröffentlichungen halte er aber für fragwürdig. Beim Sezieren einer Frau, die sich nach DGHS-Methoden umgebracht habe, hätte sich beispielsweiswe gezeigt, daß diese »völlig gesund« gewesen sei und augenscheinlich unbesehen Medikamente in tödlichen Mengen erhalten habe. jgo