Die Berliner gönnen Marlene keine Ruhe

■ Viele Berliner empört über Beisetzungsfeierlichkeiten für Marlene Dietrich »Theater für Vaterlandsverräterin«/ Senat sagt geplante Gedenkfeier ab

Berlin. 32 Jahre nach ihrem letzten Besuch kehrt Marlene nun nach Berlin zurück — doch viele Berliner sind nicht gewillt, ihr die letzte Ruhe zu gewähren. Bei den Springer-Blättern 'B.Z.‘ und 'Bild‘ klingeln in den letzten Tagen immer wieder die Telefone. Leser beschweren sich über »das Theater«, das um Dietrichs Begräbnis gemacht werde.

Auch Mitarbeiter der Senatskanzlei des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU), die auf dem Friedenauer Friedhof mit Begräbnisvorbereitungen beschäftigt waren, wurden schon mehrfach angepöbelt. Für eine »Vaterlandsverräterin« sollte man keinen solchen »Aufwand« treiben, schimpften Friedhofsbesucher [... tumbes Faschistenvolk! d.L.].

»Marlene hau ab«, solche Transparente hielten viele Berliner ihrer größten Schauspielerin bei ihrem letzten Berlin-Besuch im Jahr 1960 entgegen. Jetzt, 47 Jahre nach Kriegsende, haben ihr viele immer noch nicht verziehen, daß sie während der Nazi-Herrschaft eine Rückkehr nach Deutschland ablehnte und 1945 in der Uniform der US-Armee Deutschland betrat. »Was hat diese Frau denn für Berlin getan?« fragte Wolfgang D. in einem Leserbrief an die 'B.Z.‘. »Als hier Not und Elend herrschten, lebte sie im Ausland in Saus und Braus.« Steuergelder würden »verplempert«, wenn die Dietrich jetzt mit einer Bundeswehrmaschine nach Berlin geholt werde.

Jürgen H., ebenfalls aus Reinickendorf, pflichtete dem Marlene- Verächter bei. »Sie hat in Amerika ihr großes Geld verdient, nun sollte sie auch dort beigesetzt werden. Jetzt auf einmal Heimatgefühl zu entdecken ist unglaubwürdig.« Drei derartige Briefe druckte die 'B.Z.‘ ab. Sie seien keine Einzelfälle, hieß es im Springer-Haus in der Kochstraße. Nicht alle Anrufer äußerten sich so »bösartig«, aber für »vereinzelte« gelte das durchaus, sagte eine Mitarbeiterin der Springer-Telefonzentrale zur taz. Mit Evelyn Künneke und Brigitte Grothum haben sich auch zwei Berliner Schauspielerinnen dem Volksprotest angeschlossen. »Es gefällt mir nicht, wenn jemand sein Vaterland verleugnet«, erklärte Künneke in einem Zeitungsinterview.

Diepgens Mitarbeiter sind inzwischen dabei, die ganze Sache wieder tiefer zu hängen. Eine für den Samstag nachmittag geplante Gedenkfeier im Deutschen Theater sagte der Senat gestern wieder ab. Viele von Dietrichs Weggefährten seien »aus Alters- und Krankheitsgründen« nicht mehr reisefähig, begründete Senatssprecher Eduard Heußen die Absage. Heute abend wird der Sarg mit den sterblichen Überresten der Schauspielerin von Paris nach Berlin überführt — nicht in einem Bundeswehr-Jet, sondern einer Linienmaschine der Lufthansa. Bei Grieneisen in der Belziger Straße wird der Sarg zunächst aufgebahrt. Grieneisen- Chef Rolf-Peter Lange kündigte strenge Sicherheitsvorkehrungen an. In Paris hatten Einbrecher versucht, an die tote Schauspielerin heranzukommen.

Umfangreiche Polizeimaßnahmen werden auch das Begräbnis begleiten, das am Samstag um 11 Uhr beginnen soll. Der Friedhof an der Stubenrauchstraße wird schon am Vorabend abgesperrt. Während der Dauer der Beerdigungsfeier riegeln Polizisten die Friedhofsumgebung weiträumig ab.

Begleitet von einer Polizeieskorte, wird der Sarg um 10.30 Uhr in einem offenen schwarzen Cadillac zum Friedhof gefahren. Wie viele Trauergäste an der Beisetzung teilnehmen werden, konnte Lange nicht sagen. Es könnten 50, aber auch 100 sein. Unter ihnen werde auch Eberhard Diepgen sein, hieß es im Roten Rathaus. Die 400 Medienvertreter, die sich bisher angemeldet haben, müssen auf einer Tribüne, 50 Meter vom Grab entfernt, Platz nehmen. Nach Abschluß der Feier, gegen 11.45 Uhr, wird das Grab dann für gut drei Stunden für die Berliner zum Defilee freigegeben. hmt