■ Schweizer Behörden wollen nun rigoros gegen Sekte "Fiat Lux" vorgehen
: Geht das Licht bald aus?

Geht das Licht bald aus?

Konstanz (taz) — Nach der TV-Reportage Gesucht wird: Das Sprachrohr Gottes nahm die Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen die Ermittlungen gegen die im Südschwarzwald ansässige Sekte „Fiat Lux“ (Es werde Licht) auf. Die 63jährige Sektenchefin Erika Bertschinger-Eicke, genannt „Uriella“, bezeichnet sich als „Gottes einziges Sprachrohr“ und prophezeit unentwegt den drohenden Weltuntergang.

In der Dokumentation war der ehemaligen Fremdsprachenkorrespondentin nachgewiesen worden, daß sie seit Jahren mit nicht zugelassenen „Heilmitteln“ einen schwunghaften Handel betreibt. Ihre „Apotheke Gottes“, mehrere hundert Tinkturen und Wässerchen, werden angeboten, soll gegen alle Krankheiten Wunder wirken, unter anderem auch bei Krebs und Aids. Der Handel mit den meist wirkungslosen Kochsalzlösungen und die Abgabe ihres mit Bakterienkulturen verseuchten „Heilwassers“ wurde mittlerweile untersagt und der geschäftstüchtigen Sektenchefin zudem die Heilpraktikerlizenz entzogen.

Bei einer Razzia in zwölf „Fiat- Lux-Häusern“ im Schwarzwald beschlagnahmten die Ermittlungsbehörden „Heilmittel“, schriftliche Unterlagen, eine umfangreiche Patientenkartei und Kontoauszüge. Seit Februar wird gegen „Uriella“ wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung, des Betrugs sowie des Verstoßes gegen das Heilmittelwerbegesetz ermittelt, ebenso in zwei Todesfällen, die im direkten Zusammenhang mit den Machenschaften der Sekte stehen. Vor wenigen Tagen wurden auch die Schweizer Behörden auf „Uriella“ aufmerksam, nachdem eine Fernsehsendung mehrmals über sie berichtet hatte. „Uriella“ ist im Kanton Appenzell Ausserrhoden als Naturheilpraktikerin seit neun Jahren zugelassen. Zwar wurde 1986 eine Prüfung für Naturärzte eingeführt, wer aber bereits eine Bewilligung hatte, blieb unbehelligt. In diesem Kanton, behauptete die „Fiat- Lux“-Chefin noch vor kurzem, seien ihre „Heilmittel“ nachweisbar registriert und deren Abgabe gesetzlich abgesichert.

Die Nachforschungen des TV- Teams brachten jedoch ein anderes Resultat. Von mehreren hundert Präparaten sind lediglich drei registriert: ein Abführmittel und zwei andere Essenzen gegen Lungen-, Nieren- und Drüsenbeschwerden. Wohl zu wenig spektakulär, um damit ein großes Geschäft zu machen. Ohne die notwendige Bewilligung preist „Uriella“ deshalb diese Mittel auch gegen Krebs, Tuberkulose und Gewebeveränderungen an. Über ihre Schweizer Praxis in Schwellbrunn bietet sie, ebenfalls illegal, Mittel gegen Krankheiten an, die in der Schweiz meldepflichtig sind. Die zuständigen Behörden im Kanton Appenzell Ausserrhoden wollen nun „rigoros dagegen einschreiten“.

„Das ist schlimm, von uns ist so etwas nie erlaubt worden“, so der Auserrhoder Sanitätsdirektor Ernst Graf. Der Entzug der Praxisbewilligung scheint nur eine Frage der Zeit, und auch „Uriellas“ Ausschluß aus der Gesellschaft schweizerischer Naturärzte ist so gut wie sicher. Vor Jahren schon wollte sie dieser Verband ausschließen, doch eine Mehrheit der Mitglieder lehnte dies ab. Was diesen Berufsverband nun besonders empört: Ebenso wie in Deutschland verschickt die Sektenchefin auch in der Schweiz „Heilmittel“ an Personen, die sie selbst noch nie gesehen hat.

Bisher war den Behörden nicht klar, woher „Uriella“ ihre Präparate bezieht. Ehemalige Sektenmitglieder erinnerten sich lediglich an den „Geistnamen“ eines angeblichen Chemikers aus dem Kanton Zürich, der „Uriella“ schon seit Jahren beliefert. Die wahre Identität von „Ara“, erklärte „Uriella“ mehrmals, könne sie nicht preisgeben, denn der besitze den „Stein der Weisen“ und müsse vor den Nachstellungen der chemischen Industrie geschützt werden.

Doch die Zürcher Ermittler wurden Ende April fündig: Josef Lüthi heißt der Mann, der für „Uriella“ den größten Teil ihrer „Heilmittel“ herstellt. Bei einer großangelegten Razzia am Zürcher Stadtrand stießen die Beamten auf eine heruntergekommene Hütte, vollgestopft mit verdreckten Abfüllbehältern, undefinierbaren Wässerchen und Tinkturen. Illegal betrieb hier Josef Lüthi, ehemaliger Angestellter bei der Zürcher Fremdenpolizei, „Bio-Grundlagenforschung“ nach „Uriellas“ Rezepten. Die Behörden beschlagnahmten die gesamten Geschäftsunterlagen, gegen Lüthi und seine Zulieferer wird ermittelt. Holger Reile