Komplizierte Situation-betr.: "DGB-Chef für harten Tarifkampf" und andere Artikel der Seite 5, taz vom 2.5.92

betr.: „DGB-Chef für harten Tarifkampf“, und andere Artikel der Seite 5, taz vom 2.5.92

Die Aussagen in der Tarifauseinandersetzung im Öffentlichen Dienst (und vor allem, das was von beiden Seiten nicht ausgesagt wurde), zeigen, daß die bisherigen Denkweisen von Arbeitgebern wie auch der Gewerkschaften der komplizierter gewordenen Situation nicht mehr gewachsen sind.

Die Tarifpartner verwickeln sich dadurch in Widersprüche zu ihren eigenen Interessen. Während in der Privatwirtschaft Lohnerhöhungen auf die Preise abgewälzt werden und Personaleinsparungen in erster Linie die treffen, die „eingespart“ werden, wären im Öffentlichen Dienst bei einer unterschiedslosen Erhöhung von zirka zehn Prozent viel mehr Menschen betroffen. Denn die dort möglichen Personaleinsparungen hätten weitere Dienstleistungseinschränkungen zur Folge. Diese wären durch noch so hohe Löhne nicht aufzuwiegen, und beträfen überdies gerade die sozial Schwachen besonders, für die die Gewerkschaften immer zu arbeiten behaupten. (Die neueste Förderung besonders der unteren Lohngruppen ändert daran nichts; sie geht in die richtige Richtung, wurde aber nur halbherzig durchgeführt.) Wer will heute noch etwas von den Folgen der Schnellvereinigung wissen, die dieselben Leute damals mit förderten? Wo blieben im innergewerkschaftlichen Vereinigungsprozeß die Ossis? Ebenso werden die Arbeitgeber —die wegen 0,6 Prozent den Streik mitveranlaßten— große Mühe haben, und vieler neuer Ideen bedürfen, auch nur jene Kunden des umweltfreundlichen Verkehrsmittels Bahn oder der Pakete auf der Schiene befördernden Post zurückzugewinnen, die sich während des Streiks anderswo umsehen mußten.

Es wäre jetzt an der Zeit, die zwangsweise mitbeteiligten Dritten im Bunde auch direkt an derartigen Auseinandersetzungen zu beteiligen, nämlich die Verbraucher- und Benutzerverbände. Solche auf Bundes- und Landesebene vorhandenen, regional nur vereinzelt vorhandenen Gruppen und Initiativen müßten überall entstehen. In Form von wirtschafts-, sozial- und verbraucherpolitischen Runden Tischen könnten sie bereits heute einbezogen werden. Hermann Benz,

Villingen-Schwenningen