: Sonderstatus für Kriegsflüchtlinge?
■ Hessischer Innenminister will vor allem Flüchtlingen aus Jugoslawien die Einreise erleichtern/ In Bosnien-Herzegowina sind 650.000 Menschen aus ihren Dörfern und Städten geflüchtet
Wiesbaden (afp/dpa/taz) — Der hessische Innenminister Herbert Günther (SPD) hat Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU) aufgefordert, Bürgerkriegsflüchtlingen einen besonderen Aufenthaltsstatus zu erteilen. Dies sei nach den Bestimmungen des Ausländergesetzes möglich, erklärte Günther am Dienstag in Wiesbaden. Hessen wolle mit dieser Initiative auf Bundesebene erreichen, daß vor allem die Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien während der Kämpfe in ihrem Heimatland in Deutschland eine sichere Zuflucht finden können, ohne ein Asylverfahren anstreben zu müssen. Eine Aufenthaltsbefugnis für Bürgerkriegsflüchtlinge bedeute eine enorme Entlastung der Asylverfahren, erklärte Günther. 1991 haben seinen Angaben zufolge knapp 75.000 Jugoslawen in Deutschland Antrag auf Asyl gestellt, obwohl sie wußten, letztendlich keine asylrelevanten Gründe vortragen zu können. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres hätten 40.000 Menschen aus Bürgerkriegsgebieten Asylanträge gestellt. Diese Anträge blockierten zusätzlich die zentrale Aufnahmestelle in Zirndorf.
Allein seit dem Beginn des Krieges in Bosnien-Herzegowina vor etwas mehr als zwei Monaten sind nach Angaben des Sonderbeauftragten des UNO-Hochkommissars für Flüchtlinge, Jose-Mendiluce, vom Dienstag 650.000 Menschen aus ihren Wohnorten geflüchtet. Etwa die Hälfte von ihnen befindet sich (noch) innerhalb der Republik, die andere Hälfte ist ins benachbarte Kroatien und auch nach Slowenien geflohen. Tausende haben in Österreich Unterschlupf gefunden oder versuchen, von dort nach Deutschland weiterzureisen. Doch einreisen können Bürger von Bosnien-Herzegowina — anders als diejenigen sämtlicher übriger Nachfolgestaaten Jugoslawiens— nur mit einem gültigen Visum. So stellen viele von ihnen einen Asylantrag, um an der Grenze nicht zurückgewiesen zu werden.
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) gab in Genf bekannt, es bereite eine Nahrungsmittelhilfe für mehr als 300.000 Bosnier vor, die aus ihren Dörfern und Städten vertrieben worden sind. Für etwa 200.000 sei lediglich Zusatznahrung nötig, während etwa 100.000 Bosnier größere Mengen an Lebensmitteln zum Überleben bräuchten. Zudem müßten 30.000 Menschen in Kranken- und Waisenhäusern versorgt werden. thos
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