Frankreichs Opposition uneins über Maastricht

Paris (taz) - Das schönste Geschenk zum elfjährigen Geburtstag seiner Amtszeit im Elysée-Palast lieferte dem Präsidenten die Opposition: Zu Mitterrands Genugtuung spaltete sich das konservative Bündnis aus der neogaullistischen RPR und der liberalkonservativen UDF in der Europa-Debatte. Die Parteichefs Chirac und Giscard d'Estaing scheiterten bei dem Versuch, ihre Truppen vereint in die erste Abstimmung über die Verfassungsänderung zu schicken, die den Weg für die Ratifizierung der Verträge von Maastricht frei machen soll. Der Bruch trennt nicht nur die beiden Lager, sondern spaltet zudem noch die RPR. Bei der Abstimmung in der Nationalversammlung kam es am Mittwoch daher zu ungewöhnlichen Koalitionen. Die große Mehrheit der Sozialisten und Liberalkonservativen bejahten die Verfassungsänderung mit 398 Stimmen. Von den Gaullisten stimmten 31 zusammen mit allen Kommunisten und dem europafeindlichen Sozialisten Chevènement dagegen, 88 Gaullisten enthielten sich, und fünf sprachen sich dafür aus. Zuvor hatten die Parlamentarier einen Tag und eine Nacht lang über die Formulierung der beiden Zusatzartikel debattiert. Verfassungswidrig sind bislang die in Maastricht beschlossene Währungsunion, die gemeinsame Einwanderungspolitik und das europäische Wahlrecht bei Gemeindewahlen. In der Sitzung versuchte die Opposition, dem nur wenige Zeilen langen Text ihren Stempel aufzudrücken; dabei setzte sie so immens wichtige Forderungen durch, wie den Zusatz „Französisch ist die Sprache der Republik“. Die jetzige Abstimmung ist nur der erste Schritt einer langen Prozedur. Der Entwurf für die Verfassungsänderung wird solange zwischen Senat und Nationalversammlung hin- und herpendeln, bis beide Kammern den Entwurf in identischem Wortlaut bestätigen; anschließend muß das Parlament den Text in gemeinsamer Sitzung mit Dreifünftelmehrheit bejahen — erst dann ist die Änderung beschlossen. Und Mitterrand hat noch nicht durchblicken lassen, ob er zur Ratifizierung der Maastrichter Verträge erneut die parlamentarische Prozedur oder aber eine Volksbefragung wählen wird.

Die Zersplitterung der bürgerlichen Opposition bei einem solch wichtigen Thema zieht alle Anstrengungen von Chirac und Giscard ins Lächerliche, bei den Parlamentswahlen in zehn Monaten vereint anzutreten. Seinen Präsidentschaftsambitionen hat vor allem der RPR- Chef geschadet, der für die Verfassungsänderung zuerst lautstark ein Referendum forderte, dann davon abrückte und schließlich die Europa- Gegner in seiner Partei unterschätzte. Mit einer sehr eigentümlichen Logik hatte Chirac vergeblich versucht, RPR und UDF zur Enthaltung bei der Abstimmung über die Verfassungsänderung zu bewegen, um dann im zweiten Schritt der Ratifizierung des Maastrichter Vertragswerks zuzustimmen. Gelungen ist Chirac dabei nur eins: das Wahldebakel der Sozialisten vom März vergessen zu machen. Bettina Kaps