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Kambodscha: Schwierige Demobilisierung

■ Phnom Penh fordert seine Soldaten auf, sich bis heute zur Registrierung zu melden/ Danach soll Entwaffnung durch die UNO beginnen/ Insgesamt 200.000 Bewaffnete geschätzt

Phnom Penh (afp/taz) — „Alle Soldaten und Offiziere, die in Urlaub oder krank sind, müssen unbedingt bis zum 15. Mai zu ihren Einheiten zurückkehren und ihre Waffen und Munition mitbringen.“ Dieser Appell des Verteidigungsministeriums wird seit gestern morgen ständig im staatlichen kambodschanischen Rundfunk wiederholt. Die Maßnahme sei notwendig, um eine Liste für die UN-Übergangsbehörde in Kambodscha (UNTAC) zu erstellen.

Als die kambodschanischen Bürgerkriegsfraktionen im vergangenen Herbst dem UNO-Friedensplan zustimmten, war offensichtlich, daß die Entwaffnung der Soldaten zu den vordringlichsten und zugleich schwierigsten Aufgaben gehören würde. Dazu beschloß die UNO die Entsendung von Blauhelmen und UN-Vertretern, die den Übergang von der militärischen zu politischen Konfliktlösung überwachen sollen.

Doch die ungeklärte Finanzierung der auf etwa zwei Milliarden US-Dollar geschätzten Friedensmission erwies sich bald als eines der wichtigsten Hindernisse für eine schnelle Umsetzung des Planes. Nur zögerlich trafen die ersten Blauhelm- Kontingente ein. Unterdessen bereiteten sich die Bürgerkriegsparteien auf ihre Art vor: Seit Anfang des Jahres wurden immer wieder Kämpfe gemeldet. Vor allem den Roten Khmer wird vorgeworfen, bis zur Installierung der Blauhelme noch militärisch Terrain gewinnen zu wollen.

Bis zum 13. Juni, so hat die UNO- Übergangsverwaltung verlangt, sollen die Regierung und die drei ehemaligen Widerstandsgruppierungen Soldatenlisten vorlegen. An diesem Tag will die UNTAC mit der Entwaffnung der verschiedenen Armeen beginnen, wofür ein Zeitraum von einem Monat angesetzt ist.

Laut dem im Oktober in Paris geschlossenen Friedensvertrag wird jede der vier Armeen zu siebzig Prozent aufgelöst. Die verbleibenden dreißig Prozent der Soldaten und ehemaligen Rebellen sollen in von der UNO überwachten Armeelagern untergebracht werden. Nach Berechnung von UNTAC-Chef Yasushi Akashi zählen die vier Armeen insgesamt 200.000 Bewaffnete, davon sind nach Angaben aus Phnom Penh 120.000 Regierungssoldaten.

Ob und wie die drei anderen Gruppierungen, die gemeinsam mit der Regierung im Obersten Nationalrat unter Vorsitz von Prinz Sihanouk vertreten sind, nun auf die Anweisung der UNTAC reagieren, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Skeptisch und besorgt zeigen sich politische BeobachterInnen insbesondere über die Bereitschaft der Roten Khmer, sich den Blauhelmen zu unterstellen. Sie sollen umfangreiche Waffenlager eingerichtet haben.

Das UN-Entwicklungsprogramm will 22,3 Millionen Dollar bereitstellen, um die entlassenen Soldaten und Rebellen bei der Gründung einer neuen Existenz zu unterstützen. Bereits jetzt marodieren Soldaten der Regierungstruppen und Rebellen durch das Land. Es wird befürchtet, daß die demobilisierten Kämpfer, von denen die meisten nach dreizehn Jahren Bürgerkrieg kein anderes Handwerk als den Umgang mit Waffen beherrschen, sich ebenfalls auf Raub und Plünderungen verlegen. li

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