INTERVIEW
: „Wir wollen keine politische Beliebigkeit“

■ Roland Appel, Sprecher des Linkes Forums innerhalb der Grünen, zu den Voraussetzungen für eine Fusion mit dem Bündnis 90

taz: Was ist aus deiner Sicht das wichtigste Motiv für die Verhandlungen der Grünen mit dem Bündnis 90 um einen Zusammenschluß beider Parteien? Es ist ja nicht gerade Liebe auf den ersten Blick.

Roland Appel: Wir werden in der Gesellschaft gemeinsam wahrgenommen, wir arbeiten bereits jetzt an vielen Punkten politisch zusammen und wir sind zusammen die einzige Kraft, die den autoritären Tendenzen in der Politik entgegensteht.

Gab es nicht gerade aus den Reihen des Linken Forums Stimmen, die befürchteten, daß die Widerstandskraft der Grünen gegen autoritäre Tendenzen in der Gesellschaft durch eine Fusion mit dem Büdnis 90 geschwächt wird?

Man muß das im einzelnen prüfen. Wir werden das im Bürgerrechtsbereich, in der Frage des Paragraphen 218 und anderen Bereichen sicher diskutieren — das hat ja bisher noch nicht stattgefunden. Bisher gab es eine — auch von in den Grünen gescheiterten Politikern — mitinitiierte Diskussion, die versuchte, alte grüne rechts-links Grabenkämpfe ins Bündnis 90 hineinzutragen. Das Bündnis 90 hat sich glücklicherweise davon freigeschwommen und ich sehe nicht, warum wir jetzt damit anfangen sollten.

Nun wird es bei einer Fusion ja zumindestens zu einem Zusammenstoß zweier völlig verschiedener Kulturen und lebensgeschichtlichen Erfahrungen kommen.

Natürlich, und da müssen wir unsere Identität genauso gleichberechtigt miteinbringen wie das Büdnis 90. Die grünen Erfahrungen sind gewachsen in der Auseinandersetzung mit unserem Gesellschaftssystem. Wenn ich keine Atomkraft haben will, muß ich mich mit der Atomindustrie anlegen. Diese Erfahrungen, gerade mit der Energiewirtschaft, bringt uns nun nicht zu der Erkenntnis, daß die Kräfte des Marktes schon alles bestens regeln werden. Deswegen wird sich auch niemand von uns auf die abstruse Ebene schieben lassen, nun ein Bekenntnis zur Marktwirtschaft abzugeben, wiewohl wir niemals für Planwirtschaft gewesen sind. Die da beim Bündnis bestehenden Ängste sind ein Ergebnis von nicht stattgefundenen Gesprächen.

Außer dem Streit um die Marktwirtschaft gibt es ja noch den Zankapfel um die Öffnung zur Mitte. Im Bündnis dient dieser Begriff ja wohl als Hinweis auf die Angst, demnächst vom klassischen Grünen-Milieu eingemeindet und begrenzt zu werden.

Ich glaube nicht, daß es darum geht. Auch an diesem Punkt hatten doch Westgrüne — unter anderen Antje Vollmer — ihre Hände im Spiel. Die sollen doch mal sagen, was sie eigentlich darunter verstehen. Öffnung zur Mitte kann natürlich nicht politische Beliebigkeit bedeuten. Verhandlungen mit der ÖDP kommen für mich genausowenig in Frage wie Verhandlungen mit der PDS. Was ich dagegen verstehen kann, ist die Angst von Leuten im Büdnis90, nach einer Fusion mit den Grünen so behandelt zu werden, wie die DDR nach ihrem Beitritt zum Bundesgebiet.

Schließt dieses Verständnis eine Akzeptanz für die Forderung nach paritätischer Besetzung der Führungsgremien der zukünftigen gemeinsamen Partei mit ein?

Man muß darüber reden, was da möglich ist. Eine Parität bei den Delegierten des Bundesparteitages finde ich etwas übertrieben. Da stößt sich das Prinzip des Minderheitenschutzes doch etwas arg mit dem Demokratieprinzip. Die politische Identität des Bündnisses als inhaltliche Frage muß geklärt werden. Wie man einen Bundesvorstand besetzt ist eine Verhandlungsfrage, in deren Ergebnis die Bündnisleute sich auch wiederfinden müssen. Ganz klar muß aber auch sein, daß darüber die fünfzigprozentige Frauenquote nicht gekippt werden darf. Das wäre für mich das grüne Essential, ohne dessen Anerkennung es kein Zusammengehen geben kann. Wobei ich akzeptieren würde, wenn ein Landesverband sagt, wir streben das zwar an, schaffen es aber in den nächsten zwei Jahren nicht.

Gibt es noch mehr Essentials, die nicht verhandelbar sind?

Wir wollen keine Blockaden aufbauen, sondern einen politischen Prozeß in Gang setzen. In diesen Prozeß müssen die Grünen ihre guten Sachen einbringen wie die Quote, die Streichung des 218 oder das grüne Programm für eine neue Weltwirtschaftsordnung. Für uns geht es auch darum, unsere Stammwähler im Westen nicht zu überfordern. Wir müssen die Leute an der Basis stärker wieder miteinbeziehen. Am Punkt Asyl heißt das, die Partei darf nicht auf Einwanderungsquoten getrimmt werden, sondern muß die Initiativen zur Aushöhlung des Grundrechtes unterstützen. Die Fusion wird ein Spagat, für uns genauso wie sie es für andere Parteien war. Wir müssen diesen Spagat nur so hinbekommen, daß die neuen Bundesländer dabei besser abschneiden, als das bei den anderen der Fall war. Dabei sollte ein bürgerrechtliches und ökologisches Bündnis herauskommen. Für mich heißt das auch eine Partei Grüne/Bündnis 90 und nicht ein irgendwie geartetes Konglomerat Bündnis 2000, wie es Wolfgang Templin vorgeschlagen hat. Dann verlieren wir unsere Stammwählerschaft mit Sicherheit. Interview: Jürgen Gottschlich