„Was bleibt, ist Frustration“

■ Ratlosigkeit und Resignation bei der ÖTV-Basis/ Wiederaufnahme des Streiks kommt nicht in Frage

Die Stimmung auf dem Betriebshof der Bremer Müllabfuhr ist resignativ. Kein Triumph, es den Gewerkschaftsbossen mal richtig gezeigt zu haben. Statt dessen Enttäuschung auf der ganzen Linie. Motto: Das Ergebnis der Tarifverhandlungen ist mies. Das Ergebnis der Urabstimmung ist zwar in Ordnung, aber was nun weiter werden soll, wissen wir auch nicht.

„Das können die doch nicht im Ernst meinen, daß wir über das Ergebnis nicht richtig informiert gewesen seien“, sagt ein Müllwerker und meint damit die ÖTV-Funktionäre. Natürlich habe man gewußt, daß es außer den 5,4 Prozent auch einen Einmalbetrag geben wird. „Aber das kann man doch nicht einfach auf die Prozente draufschlagen“, sagt der Mann im Stadtreinigungsrot. Und ein Kollege ergänzt: „Das ist doch keine Tarifpolitik. Die Basis für die nächsten Jahre sind die 5,4. Und dafür haben wir nicht gestreikt.“

Daß der geschäftsführende Hauptausschuß laut Satzung die Möglichkeit hat, über das Ergebnis der Urabstimmung hinwegzugehen, das haben die meisten Kollegen erst morgens aus dem Radio erfahren: „Na klar steht das in der Satzung. Aber die tragen wir doch nicht unter dem Arm herum. Vor der Urabstimmung hat uns jedenfalls keiner der Funktionäre noch einmal darauf hingewiesen.“

Was jetzt werden soll, wissen die Müllwerker aber auch nicht. Soll Monika Wulf-Mathies zurücktreten? „Ich weiß nicht, sie hat sich in den vergangenen Jahren ja immer bemüht.“ Oder soll es eine Neuauflage des Streiks geben? „Das wird nicht gehen. Die Stimmung ist doch jetzt weg.“

Also einfach zur Tagesordnung übergehen? „Nee, das geht auch nicht. Wenn die in Stuttgart jetzt das Tarifergebnis absegnen, dann ist Ende der Fahnenstange. Da warten viele Kollegen nur drauf, um ihre Mitgliedsbücher zurückzuschicken. Die 35 Mark Beitrag im Monat, die können wir auch gut gebrauchen.“

„Bei uns im Krankenhaus haben die meisten gegen den Tarifvertrag gestimmt“, weiß Lothar Schröder, Personalratsvorsitzender in einer großen Bremer Klinik. Denn das Pflegepersonal in den Krankenhäusern sei mit dem Tarifabschluß nach dem anstrengenden Streik unzufrieden gewesen. Die „Rechenkunststückchen“ der Funktionäre, den Einmalbetrag einfach auf die prozentuale Erhöhung draufzuschlagen, habe niemanden überzeugt. „Entscheidend sind die Prozente.“ Und die sorgten dafür, daß die Schere zwischen den Einkommensgruppen weiter auseinandergehe. Schröder: „Erst zu sagen, 5,4 Prozent sind zu wenig, dann bei 5,4 abzuschließen und auch noch zu behaupten, das Lohndiktat sei gebrochen: Das geht nicht.“

Die Stimmung für eine Wiederaufnahme des unterbrochenen Streiks sieht Schröder im Krankenhaus aber nicht. Die Euphorie der Streiktage sei inzwischen dahin, „was bleibt ist die Frustration.“

Auch beim Personalrat der Schulen weiß man, daß die meisten Kollegen an den Bremer Schulen gegen das Ergebnis gestimmt haben, wenn auch aus anderen Motiven: „Ein Großteil der angestellten Lehrer habe es nicht eingesehen, daß sie von der Gewerkschaft behandelt worden sind, als seien sie Spitzenverdiener“, meint Personalrätin Erika Busecker. Wie es weitergehen könnte, weiß sie nicht: „Das ist jetzt Sache der Gewerkschaft.“

Der Bremer ÖTV-Geschäftsführer Holger Aebker weiß allerdings auch nicht weiter. Er will in der verfahrenen Situation auch lieber kein Wort sagen. Nein, eine Stellungnahme zu dem Ergebnis gebe es von der Bremer ÖTV nicht, das sei Sache des Hauptvorstandes. Nein, das Bremer Ergebnis werde man nicht mitteilen, nur das Gesamtergebnis, und das sei Sache der Zentrale. Nein, eine Haltung der Bremer ÖTV zu der Abstimmungsniederlage gebe es nicht.

Nein, eine Aufklärung der Mitglieder über die letzlich entscheidende Rolle des geschäftsführenden Hauptausschusses sei nicht nötig gewesen. Das stehe doch schließlich alles in der Satzung. Nein, erwartet habe man das Ergebnis überhaupt nicht: „Wir haben uns das nicht vorstellen können“, sagt der Funktionär. Holger Bruns-Kösters, Bremen