Marlowe instandbesetzt

■ Eine Podiumsdiskussion über Frauen-Krimis mit Pieke Biermann

Auf dem Podium warten eine Ledercouch, ein Sessel und drei Wassergläser, auf der anderen Seite im Foyer der Schöneberger Stadtbibliotohek knapp hundert Frauen auf Iris Schweigert, die Besitzerin der Krimibuchhandlung »tatort«, auf Sabine Spatzke, die zur Zeit ihre Magisterarbeit über das Thema »Frauen und Kriminalromane« schreibt, und natürlich auf Pieke Biermann, die inzwischen unkonventionelle Krimis schreibt. Als die drei endlich ihre Plätze einnehmen, die Damen Schweigert und Biermann auf der Couch, Frau Spatzke im Sessel, versinken sie in den braunen Polstern, wie Claire Bretechers »Frustrierte« in ihren Fauteuils. Iris Schweigert soll aus dieser Postiton über den »Boom der Frauenkrimis« sprechen. Aber, so entschuldigt sie sich, das sei nur ein Fehler im Programmheft gewesen, und hebt an zu einem Historischen Abriß der Kriminalgeschichte. Als es darin endlich zum großen Paradigmenwechsel des Jahres 1986 kommt, als die Ariadne-Krimi-Reihe neue, feministische Zeichen setzte, ist die Referentin ratlos: »Schreiben Frauen anders?« liest sie vom Manuskript ab und muß selbst lachen: »Ja, sicher schreiben sie anders!« Authentischer, ehrlicher — anders eben.

Nun soll Sabine Spatzke dem Abend die geistige Tiefe verleihen. Unermüdlich rührt sie die Trommel für den deutschen feministischen Kriminalromen. Aber nicht jeder von Frauen geschriebene Krimi ist ein feministischer! Denn Feminismus ist, wenn frau »ein neues Selbstverständnis und die Aufhebung der traditionellen Rollenverteilung anstrebt«. Diese Definition hat sie dem Duden entnommen. Als das Mikrophon endlich an Pieke Biermann weitergereicht wird, stöhnen die Frauen schon leise auf. Lesen sie nicht gerade Krimis, um sich einmal einfach zu entspannen? Pieke Biermann erkennt die Lage und weckt uns mit ein paar plakativen Thesen auf: Ob eigentich irgendjemand im Saal glaube, was eben gesagt wurde? Und was wir davon halten, daß der abgehalfterte Privatdetektiv im feministischen Krimi durch bloße Verweiblichung simpel instandbesetzt wurde? Tja, was halten wir davon? Eigentlich finden wir das ja ganz lustig — mit diesen coolen Frauen, die ordentlich hinhauen, wo wir nur wegrennen würden. Schon meldet sich eine Zuhörerin und bekennt sich zu »Stoner«, der sanften, etwas trotteligen Anti-Heldin. Da müssen wir alle lachen, und fragen uns, ob »Krimilesen vielleicht doch Therapie ist«.

»Wenn aus der Rollen-Kritik eine positive Definition wird, wird es brenzlig« wiederholt Pieke Biermann und mahnt, mit unserem femimistischen Klischee-Recycling drohe uns noch das Identitätsgefängnis. Aber auf die schönen eingängigen Krimis mag niemand verzichten. Gott sei Dank hat Pieke Biermann gar dann doch nichts gegen unsere romantische Leselust, so lange wir hin und wieder auch einen ihrer Krimis kaufen. Und so dürfen wir anschließend ohne Scham Iris Schweigerts Büchertisch leerkaufen. Klaudia Brunst