echte unter grünen Fröschen

Öko- und Ethikfonds erobern mehr und mehr grüne Anlegerherzen. Doch Vorsicht ist geboten: Wo „Öko“ draufsteht, ist nicht immer „Öko“ drin. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT hat sich durch den Dschungel der sogenannten grünen Aktien gewühlt.

E

rich Hildenbrandt ist betroffen. Seine Branche leidet darunter, daß die „neue Erbengeneration“ in der Bundesrepublik zuwenig risikofreudig ist. Das Mitglied des Verbandes Deutscher Makler (VDM) klagte kürzlich in Frankfurt/Main sein Leid: Die „neue Erbengeneration“ in der Bundesrepublik verfüge über beträchtliche Anlagemittel. Dennoch seien potentielle Investoren, die bereit sind, ihr Kapital mit einer Beteiligung an angeblich krisensicheren Immobilienprojekten oder an einem der zahlreichen offenen- und geschlossenen Immobilienfonds zu akkumulieren, auch in den alten Bundesländern „mit der Lupe“ zu suchen.

Der Ruf der Immobilienbranche ist extrem schlecht. Die sensible „neue Erbengeneration“ dreht ihre Tausender offenbar zweimal in der Tasche um, bevor sie die Scheine endlich anlegt. Dabei stellt sich zunehmend nicht mehr nur die Frage nach der höchsten Rendite für den Kapitaleinsatz: Immer mehr Anleger suchen Anlagemöglichkeiten, die ihrem eigenen soziokulturellen Background entsprechen — und sie stoßen dabei auf die Öko- und Ethikfonds, die mit ihrem Angebot an sogenannten grünen Aktien seit Ende der 80er Jahre auch auf dem deutschen Kapitalmarkt mitmischen.

Das Berliner BAK weigert sich, „grüne Aktien“ anzuerkennen

Noch halten die Anbieter „grüner Aktien“ in der Bundesrepublik einen bescheidenen Marktanteil von nur 0,5 Prozent. Doch die Nachfrage steigt — und bei den Großbanken liegen die Pläne für die Einrichtung hauseigener Öko- und Ethikfonds schon in den Schubladen. Umwelt ist „in“ im Land des Katalysators und des grünen Punktes. Die Bank in Liechtenstein (Deutschland) GmbH schätzt, daß sich das bewertbare Marktvolumen der grünen Fonds von gegenwärtig knapp 40 Milliarden Mark bis zum Jahr 2004 mehr als versechsfachen wird.

Die bislang in Deutschland aufgestarteten grünen Fonds werden — wegen der Blockadehaltung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen (BAK) — bis jetzt fast ausnahmslos in der großherzoglichen Steueroase Luxemburg verwaltet. Auch die Alternativbanker von der Ökobank, die sich an der Gestaltung eines ethisch-ökologischen Investmentfonds (Investiko GmbH) beteiligen, gehen den Umweg über Luxemburg. Das BAK in Berlin, so Marketingleiterin Jutta Gelbrich von der Ökobank, weigere sich nach wie vor, Öko- und Ethikfonds anzuerkennen, weil dann umgekehrt automatisch alle anderen Fonds als „unökologisch und unmoralisch“ abqualifiziert würden. Und das, so die Auffassung des BAK, sei ein unzulässiger Wettbewerbsvorteil für die Einrichter der grünen Fonds.

Was in Deutschland auf dem starren und von den Großbanken beherrschten Markt noch schwer zu plazieren ist, gehört im Mutterland der Ethikfonds längst zum „Establishment“. Seit knapp 25 Jahren werden in den Vereinigten Staaten Ethik- und Umweltfonds aufgelegt. Während der US-Aktienindex in den letzten fünf Jahren um 111 Prozent anstieg, brachten es die grünen Aktien auf eine Zuwachsrate von 482 Prozent (Pollution-Control-Index). Das Reaktorunglück von Tschernobyl und der Golfkrieg haben die Nachfrage nach Aktien aus Öko- und Ethikfonds explodieren lassen. Schließlich stellen die Veteranen der Flower-Power-Generation, die in Berkeley oder Harvard studierten und inzwischen in den oberen Etagen der Wolkenkratzer „heimisch“ geworden sind oder ihr Vermögen schlicht von „Big Daddy“ erbten, das Gros der potentiellen Aktienkäufer. Als die USA das kleine Vietnam flächendeckend bombardieren ließ, schlug die Geburtsstunde der Ethikfonds. Nach Massendemonstrationen gegen den US-Chemiegiganten und Napalm-Produzenten Dow Chemical gründeten geschockte Kleinaktionäre den weltweit ersten Aktienfonds mit Wertpapieren ausgewählter Gesellschaften, die ausschließlich „saubere Produkte“ herstellten. Auch wenn die „Masters of the Universe“ in den gigantischen Geldspeichern der Wall Street damals noch nachsichtig lächelten — der „Marsch in die Grünanlagen“, so die Fachzeitschrift 'Finanztest‘ (Heft 3/1991), war danach nicht mehr aufzuhalten.

Ein Ethikfonds muß nicht unbedingt ethischen Kriterien genügen

Eingestiegen in das Geschäft mit den soften Aktien sind in Deutschland inzwischen bereits so renommierte Bankhäuser wie die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank, die DG-Bank und die Raiffeisengruppe. Selbst die in Finanzkreisen hochangesehene Schweizerische Kreditanstalt (Credit Suisse), die bislang nur auf eidgenössischem Boden operierte, hat mit einem direkt in der Bundesrepublik aufgestarteten Fonds die Grenze überschritten. Im Credit Suisse (CS) Oeko-Protec-Fonds finden sich internationale Aktien und Anleihen, Genuß- und Partizipationsscheine und Anteile aus anderen Ethik- und Umweltfonds. Dazu kommen diverse Fondsgesellschaften mit divergierenden ideologischen Ausrichtungen, wie der Fonds der Evangelischen Kreditgenossenschaft, die „Biogrond“-Umweltaktie der Triodosbank, mit der Land zum Anbau von Bio-Produkten angekauft werden soll, oder die in einen Umwelt- und einen Eco-Tech-Bereich gesplitteten Fonds von Hypo Capital Management (H.C.M.) in München.

Doch im Teich der grünen Frösche suchen auch die die Hechte nach Futter. Das Renommee einer Bank ist noch lange keine Garantie dafür, daß der von dem Institut aufgelegte Fonds auch tatsächlich nur Aktien solcher Gesellschaften beinhaltet, die für einen ökologisch bewußten Anleger akzeptabel sind. Ein vom Titel her ausgewiesener Ethikfonds muß nicht unbedingt so strukturiert sein, daß er den moralischen Ansprüchen eines engagierten Tierschützers gerecht wird. So gibt es Fondsgesellschaften, die damit werben, daß sie nur Aktien von Kapitalgesellschaften akzeptieren, die bei der Entwicklung ihrer Produkte gänzlich auf Tierversuche verzichten — auch wenn diese Firmen an Unternehmen im Ausland beteiligt sein sollten, die beispielsweise toxische Pflanzenschutzmittel oder Grundstoffe für den Chemiewaffenbau herstellen. Selbst mit wissenschaftlichen Methoden können die „Grünanlagen“ nur schwer vom „Plastikrasen“ der Seiteneinsteiger ins Geschäft mit den Öko- und Ethikfonds unterschieden werden, wie der Lehrbeauftragte für Umweltrecht an der Universität Zürich, Robert Chanson, konstatieren mußte: „Den meisten Analytikern bereitet die Ermittlung von echten Öko-Investitionen große Mühe.“ Mehrfach sind die Züricher bei ihren Recherchen auf Fondsgesellschaften gestoßen, die — ohne eigene Prüfungskriterien zu haben — auch bei Konzernen mit einer nur bedingt „ökologisch verträglichen“ Produktpalette eingestiegen waren.

Der Feldzug von Artus-Concorde in den neuen Bundesländern

„Gnadenlose Transparenz“ fordert deshalb der Vorstandschef der Ökobank, Oliver Förster, von den Geschäftsführern und Vorständlern der Umwelt- und Ethikfonds. Für die Ökobanker erfüllt keiner der auf dem deutschen Markt real existierenden Fonds die Kontrollkriterien, die von den Alternativbankern für die Konzeptionierung ihres hauseigenen Öko- und Ethikfonds entwickelt wurden, der noch in diesem Jahr installiert werden soll. Zum einen wird der Fonds der Ökobanker von einem vom Fondsmanagement unabhängigen „Anlageausschuß“ überwacht werden, der sich aus Mitgliedern von Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen zusammensetzen soll. Zum anderen wollen die Birkenstock-Banker mit einer „Beurteilungsmatrix“ Transparenz für die Anleger schaffen und dabei ökologische- und soziale Gesichtspunkte berücksichtigen. Für Jutta Gelbrich von der Frankfurter Ökobank ist „eine Kapitalgesellschaft, die Frauen benachteiligt, nicht akzeptabel — auch wenn sie nur umweltverträgliche Produkte herstellen sollte.“ Mit einem „sanften Vertriebskonzept“ wollen die Frankfurter ihren Fonds am Markt etablieren: keine aggressive Werbung — keine Drückerkolonnen.

Mit genau dieser, von den Ökobankern verworfenen Strategie, hat der Branchenleader Artus Concorde Gemeinschafts-Aktiendepot im Jahre 1990 eine Zeichnungssumme von 728,31 Millionen Mark ausweisen können. Doch tatsächlich kamen im gleichen Jahr nur 17,36 Millionen Mark auf das Konto der Artus-Concorde. Ihre Drücker drehten vor allem den neuen Bundesbürgern Sparverträge mit Laufzeiten bis zu 36 Jahren an — nur um möglichst hohe Provisionen für hohe Vertragsabschlüsse kassieren zu können: „Das Geschäft mit der Moral als Schwindel“, kommentierte eine Verbraucherzentrale in Berlin. Seit dem Feldzug von Artus-Concorde im Osten stehen „King Artur“ und seine ethischen Vermögensverwalter auf der schwarzen Liste der Verbraucherschützer. Auch das Berliner Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen (BAK) reagierte: Als Artus-Concorde-Geschäftsführer Robert Schneider zwei bislang auf dem deutschen Markt nicht vertretene ausländische Ethikfonds von Luxemburg aus in der Bundesrepublik etablieren wollte, stoppte die dortige Bankaufsichtsbehörde das bereits angelaufene Genehmigungsverfahren. Das BAK hatte die Kollegen in Luxemburg davon in Kenntnis gesetzt, daß in Berlin wegen „unerlaubter Bankgeschäfte“ gegen die ethischen Vermögensverwalter der Artus- Concorde ermittelt werde.

Öko- und Ethikfonds: „Sanfte Ruhekissen“ durch das gute Gewissen

Um ihre Seriosität unter Beweis zu stellen und den potentiellen Kunden die Anlageentscheidung zu erleichtern, haben andere Fondsgesellschaften bereits vor den Ökobankern eigene Konzepte entwickelt. So investiert der Erste Ethische Investmentclub Köln (EthIK) ausschließlich in den USA, weil es nur in den Staaten und in Großbritannien unabhängige Forschungsinstitute gibt, die permanent alle relevanten Daten über Rüstungsgeschäfte weltweit aufbereiten und die Engagements von Kapitalgesellschaften im Umwelt- und Energiesektor auflisten und auswerten. Fast alle Fonds haben sogenannte Negativkriterien festgelegt, mit denen demonstriert werden soll, daß der Fonds keine Aktien von Kapitalgesellschaften hält, die beispielsweise in der Rüstungsproduktion oder beim Bau von Atomkraftwerken mitmischen oder in ihren Laboratorien Tierversuche zulassen. Mehrheitlich legen die Fondsmanager interessierten Anlegern auch Positivlisten vor, aus denen hervorgehen soll, in welchen Bereichen die mit Aktien im Fonds vertretenen Unternehmen aktiv sind. Da reicht die Palette von „umweltfreundlicher Energiegewinnung“ über die Produktion von „natürlichen Lebensmitteln“ bis hin zu vorbildlichen „sozialen Bedingungen“ im Betrieb.

Doch wie einzelnen Unternehmen, die mit ihren Wertpapieren Eingang in einen Fonds gefunden haben, „abgemischt“ sind, bleibt oft das Geheimnis der Fondsmanager. Während in den Fonds der Focus Umwelttechnologie/Fonds Euroinvest angeblich nur Aktien von Unternehmen aufgenommen werden, deren Umsatz sich mindestens zu 51 Prozent aus Umwelttechnologie rekrutiert, investiert der Raiffeisen-Umweltfonds sogar in Kapitalgesellschaften, wenn deren umweltbezogener Umsatz nur zehn Prozent am Gesamtumsatz ausmacht. Dafür ist ein Anteil am Raiffeisen-Fonds schon für 650 Mark zu haben; bei Focus müssen mindestens 5.000 Mark hingeblättert werden. Extreme Differenzen gibt es auch bei den Renditen. Das „sanfte Ruhekissen“ durch das gute Gewissen bei einer Anlage in einem Öko- oder Ethikfonds kann sich langfristig vergolden. So sollen die Kölner EthIKer bis zu 25 Prozent Rendite per annum ausschütten — bei einer Mindesteinlage von 5.000 Mark ('Ökotest‘, Heft 3/1992). Bei der Biogrond-Umweltaktie der Triodosbank werden dagegen nur fünf Prozent Rendite ausgezahlt. Eine Mindestanlage ist aber hierbei nicht notwendig. Insider bezweifeln jedoch die Angaben der Fondsgesellschaften zur Renditenhöhe. Die Kursschwankungen vor allem der ausländischen Aktien in den Fonds können nur schwer prognostiziert werden. Dazu kommt noch das Währungsrisiko. So sind die Kölner EthIKer mit ihrem reinen „US-Fonds“ dem Dollardiktat unterworfen — auch wenn der steigende Dollarkurs in den letzten Monaten die Renditen mit angezogen hat. Vermittlungs- und Verwaltungsgebühren, Ausgabeaufschläge und Depotgebühren, die bei den verschiedenen Fonds unterschiedlich hoch ausfallen, sorgen allerdings dafür, daß die Renditeträume nicht in den Himmel wachsen — und die Fondsverwalter gut leben können.

Wer ohne großen Prüfungsaufwand — Rendite, Gebühren, Unternehmensbonität, Wahrhaftigkeit — sichergehen will, sein Kapital gut anzulegen, kann Beteiligungen an konkreten Projekten ordern oder die angebotenen Projektsparbriefe der Ökobank, Triodosbank oder der Bank für Sozialwirtschaft zeichnen. Und ein letzter Tip: Wer Genossenschafter bei der taz wird, kann auf seinem „sanften Ruhekissen“ auch eine knallharte Zeitung fördern — eine sinnvolle, langfristige Geldanlage und eine Investition in den ökologischen Umbau der Industriegesellschaft durch geistige Infiltration der Republik.