„Doch die Schweiz hat sich verändert“

Eine breite Allianz von links bis rechts will den Kauf amerikanischer Kampfjets verhindern/ In nur elf Tagen kamen die Unterschriften für ein Volksbegehren zusammen/ Verfassungsänderung angestrebt  ■ Aus Basel Frank Matter

Die AktivistInnen der Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) ließen übers Wochenende in ihrem Zürcher Hauptquartier die Champagnerkorken knallen. In nur elf Tagen hatten sie die 100.000 nötigen Unterschriften für das neueste Volksbegehren der Pazifisten zusammenbekommen. „Ein einmaliger Vorgang in der Schweizer Geschichte“, kommentierten die helvetischen Blätter. Und im Büro der GSoA gehen täglich dicke Pakete mit weiteren Initiativbögen ein. „Bis Ende des Monates haben wir 200.000 Unterschriften zusammen“, erklärte die Organisation Anfang der Woche.

Was die SchweizerInnen derzeit massenweise den Griffel zücken läßt, ist 17 Meter lang, wiegt maximal 23,5 Tonnen und trägt die Typenbezeichnung F/A-18. Der amerikanische Kampfjet rangiert zuoberst auf dem Wunschzettel des Eidgenössischen Militärdepartementes (EMD). Nach jahrelangen Abklärungen will die Luftwaffe nun 34 Stück des F/A-18 zu einem Preis von 3,4 Milliarden Schweizer Franken (circa 3,8 Mrd. DM) kaufen. Der Bundesrat, die schweizerische Regierung und der Ständerat, die kleinere der beiden Parlamentskammern, haben bereits ihren Segen gegeben. Noch vor der Sommerpause sollte auch der Nationalrat zustimmen.

Doch die Schweiz hat sich verändert. Bis vor wenigen Jahren galt die Armee in der Alpenrepublik als heilige Kuh. Jahrzehntelang ließ das EMD Rüstungsvorlagen mit überwältigenden Mehrheiten von den demokratischen Institutionen absegnen. Das Volk, das bei Waffengeschäften nichts mitzureden hatte, muckte kaum auf. Opposition machten allenfalls ein paar Außenseiter. Und die SPS, eine der vier Koalitionsparteien der Bundesregierung, meldete bestenfalls Bedenken an.

Seit die Regierung aber die jüngste Militärvorlage, den geplanten F/ A-18-Kauf, veröffentlicht hat, ist in der Schweiz die Hölle los. Gruppierungen von links bis rechts schlossen sich zusammen, um den Kauf des „teuren Offiziersspielzeuges“ zu verhindern. Ging es den einen um grundsätzliche pazifistische Gründe, finden andere, die F/A-18 sei für die nicht gerade volle Bundeskasse schlicht zu kostspielig.

Wo aber ist der Feind?

Unabhängige Rüstungsexperten kritisieren, die amerikanische Maschine eigne sich für das kleine Alpenland aus technischen Gründen nicht. Eine weitere Gruppe von F/A- 18-Gegnern hat aus dem Golfkrieg die Lehre gezogen: kleine Länder hätten der übermächtigen Kriegsmaschinerie der Nato-Staaten wenig entgegenzusetzen, sagen sie. Und daß die krisengeschüttelte GUS oder ein Dritte-Welt-Land derzeit fähig ist, einen konventionellen Krieg gegen Westeuropa anzuzetteln, glaubt hier ohnehin niemand mehr. Das Feindbild ist den PR-Verantwortlichen des EMD abhanden gekommen wie anderen Leuten ein Hut.

Die GSoA, die vor drei Jahren mit ihrer Armee-Abschaffungsinitiative die Schweizer Militärs entzaubert hatte (über 35 Prozent Ja-Stimmen bei der nationalen Abstimmung), nutzte die Gunst der Stunde, um die Berner Generäle einmal mehr das Fürchten zu lehren. Ende April starteten die Anti-Militaristen eine Volksinitiative, die der Regierung per Verfassungsartikel den Kauf von neuen Kriegsflugzeugen bis ins Jahr 2000 verbieten will.

Der Erfolg war überwältigend. In vielen Städten standen die Menschen vor den Sammelstellen Schlange. Provoziert fühlen sich die Bürger und Bürgerinnen vor allem durch die hohen Kosten des Rüstungsgeschäftes. „Der Staat könnte zur Zeit mit seinem Geld Vernünftigeres machen, als es in die Armee zu verlochen“, schimpft ein älterer Mann stellvertretend für viele andere, während er entschlossen seine Unterschrift auf die Liste setzt.

Von den vier Regierungsparteien unterstützen nur die Sozialdemokraten die Initiative. Das übrige Polit- establishment reagierte verärgert auf das Volksbegehren. Die GSoA mißbrauche die politischen Rechte, argumentierten Vertreter der bürgerlichen Parteien. Denn Initiativen seien dafür bestimmt, Verfassungsnormen zu ändern, aber nicht eine einzelne Rüstungsvorlage zu stoppen.

Umstritten ist auch die Rückwirkungsklausel, die der Regierung den Kauf von Flugzeugen ab sofort verbieten soll, obwohl eine Abstimmung über die GSoA-Initiative frühestens in ein paar Monaten möglich ist.

Ulrich Zimmerli, Ständerat der konservativen Volkspartei (SVP), will das Begehren deshalb vom Parlament für ungültig erklären lassen. Seine Gefolgschaft schrumpft allerdings von Tag zu Tag. Der Druck von der Straße läßt immer mehr Abgeordnete umdenken. „Das Volk muß in dieser Frage entscheiden“, fordern inzwischen selbst ehemals eingeschworene Gegner einer Volksmitsprache. Den geplagten Verteidigungsminister Kaspar Villinger, dem „das Flugzeuggeschäft mittlerweile zum Hals heraushängt“, bringt der Stimmungsumschwung auf den Parlamentsbänken in eine ungemütliche Lage. Er hatte die beiden Parlamentskammern dazu gedrängt, der F/A-18-Beschaffung noch vor der Sommerpause zuzustimmen. Sonst könnten die bereits abgeschlossenen Verträge obsolet werden und neue Bedingungen müßten ausgehandelt werden. „Das könnte uns teuer zu stehen kommen“, drohte der FDP-Minister.

Die Sozialdemokraten setzen alles daran, den Zeitplan der Regierung über den Haufen zu werfen. SP- Nationalrat Elmar Ledergerber beantragt, den Parlamentsentscheid bis nach der Volksabstimmung über die GSoA-Initiative zu verschieben. Sein Parteikollege Andreas Gross verlangte am Dienstag in der sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates, daß das Volksbegehren im Dezember an der Urne zur Abstimmung gelange.

Die Bürgerlichen versuchen nun hinter den Kulissen zu retten, was noch zu retten ist. Sie kündigten an, sie würden dem Parlament eine auf 24 F/A-18 reduzierte Kaufvariante vorlegen.