Statt ins Gefängnis zur Schlägerei

■ Erste Verhaftungen nach Skin-Überfall auf eine Magdeburger Geburtstagsparty/ Einer der Beschuldigten war bereits verurteilt, befand sich aber auf freiem Fuß

Magdeburg (taz) — Der dreiundzwanzigjährige Torsten L., der am Wochenende bei einem Skinhead- Überfall auf einer Geburtstagsparty in Magdeburg erschlagen wurde, könnte vielleicht noch leben. Denn der einschlägig mehrfach vorbestrafte einundzwanzigjährige Wolfsburger Skinhead Frank Frieske, der als einer der Haupttäter des Überfalls gilt und gegen den am Freitag Haftbefehl wegen des Verdachts auf Totschlag an Torsten erlassen worden ist, wurde erst im April zu einer Haftstrafe von mehr als zwei Jahren ohne Bewährung verurteilt.

Wegen einschlägiger Delikte: schwere Körperverletzung und schwerer Landfriedensbruch. Frieske mußte seine Strafe aber nicht sofort antreten. Das Braunschweiger Landgericht setzte den Haftbefehl gegen ihn vorübergehend außer Vollzug, damit der als Oberschläger der Wolfsburger Glatzenszene bekannte Frieske vor Haftantritt noch seine beruflichen Angelegenheiten regeln konnte.

Auf die Spur von Frieske kamen die Ermittler durch die Aussagen anderer Beschuldigter, teilte die Staatsanwaltschaft in Magdeburg am Freitag mit. Insgesamt ermitteln die Justizbehörden im Zusammenhang mit dem Überfall gegen sechsundzwanzig namentlich bekannte Skinheads aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Gegen sechs Beschuldigte hat der Haftrichter Haftbefehl erlassen. Fünf Skins sitzen in U-Haft, der sechste ist unter Auflagen weiter auf freiem Fuß.

Gegen die sieben Polizisten, die den Überfall beobachtet hatten ohne einzuschreiten, hat die Staatsanwaltschaft von Amts wegen ein Vorermittlungsverfaren eingeleitet. Zwar habe niemand Strafanzeige gegen die Beamten erstattet, aber die Behörden müßten trotzdem prüfen, ob sich die Beamten der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht hätten, sagte der Leiter der Magdeburger Staatsanwaltschaft, Rudolf Jaspers. Dies sei aber nur dann der Fall, „wenn es den Bematen zuzumuten gewesen wäre, trotz der gewaltigen Überzahl der Skinheads und angesichts der übrigen äußeren Umstände des Überfalles einzuschreiten“.

Mit Hilflosigkeit und gegenseitigen Schuldvorwürfen reagierten die Parteien im Landtag von Sachsen- Anhalt auf das erste Todesopfer der rechtsradikalen Gewalt in Sachsen- Anhalt. Die Sozialdemokraten forderte den Rücktritt von Innenminister Hartmut Perschau (CDU). Der allerdings lehnt einen solchen Schritt kategorisch ab. Der Fraktionschef von Bündnis 90/Grüne, Hans-Jochen Tschiche, warf Innenminister Perschau indirekt vor, auf einem Auge blind zu sein. Schließlich spiele er schon seit Monaten die Übergriffe Rechtsradikaler in Sachsen-Anhalt herunter. Eberhard Löblich