Marlene hatte andere Pläne

Heute wird die Diva in Berlin begraben  ■ Aus Berlin CC Malzahn

Marlene hatte andere Pläne: Sie wünschte sich ein ruhiges Begräbnis im engsten Kreis. Doch wenn der Weltstar heute morgen um elf Uhr auf dem kleinen Schöneberger Friedhof an der Stubenrauchstraße zur letzten Ruhe gebettet wird, werden neben einigen wenigen Freunden und Verwandten auch über vierhundert Journalisten und Journalistinnen aus aller Welt und Zehntausende Zaungäste dabeisein. Das erste Programm wird den letzten Auftritt von Marlene Dietrich live übertragen — soviel Publikum auf einmal hatte sie noch nie.

Die Telefonnummer des evangelischen Pfarrers, der die Trauerrede halten wird, gibt der Berliner Senat nicht raus: sonst käme der Gottesmann vor lauter Presse nicht dazu, die Predigt zu schreiben. Was wird ihm zu Marlenes Leben nach dem Tod einfallen? Für die Dietrich war die Sache klar: „Sie glauben doch nicht, daß nachher etwas kommt?“ fragte sie einmal einen Journalisten — und fügte im Brustton der Überzeugung hinzu: „Ah bah, so ein Quatsch! Da kann man doch nicht daran glauben, daß die oben da alle rumfliegen!“

Ihr Leichnam wurde Freitag nacht von Paris nach Berlin geflogen. Heute morgen wird er in einem offenen schwarzen Cadillac und mit einem Konvoi zum Friedhof gefahren. Marlene Dietrich wird 20 Meter entfernt vom Grab ihrer Mutter, Josephine von Losch, beigesetzt. Fieberhaft suchten die Berlinerinnen und Berliner gestern nach Dietrich-Devotionalien in der Stadt. Buchgeschäfte meldeten rasant steigende Umsätze von Dietrich-Schallplatten, Büchern und Postern. Vor dem Berliner Panoptikum am Kurfürstendamm standen Touristinnen und Touristen in langer Schlange, manche mit Blumen: Im Wachsfigurenkabinett ist neben dem Massenmörder Haarmann und dem amerikanischen Präsidenten Kennedy auch Frau Dietrich in Lebensgröße nachgebildet. Und um das frisch ausgehobene Grab auf dem Friedhof strich ein Travestiekünstler, der aussah wie Marlene in ihren besten Jahren. Nicht Nekrophilie hatte ihn an diesen Ort getrieben, sondern ein Privatsender.

Der Berliner Senat, dessen Planungen zum Gedenken an Marlene Dietrich im wesentlichen aus Pleiten, Pech und Pannen bestanden, fügt heute noch eine Peinlichkeit hinzu. Ein popeliger Empfang soll nun die geplante Gala ersetzen. Der Regierende Bürgermeister Diepgen, so war zu hören, habe jedoch nicht die Zeit teilzunehmen. Der Bezirkswahlkampf scheint dem blassen Eberhard wichtiger zu sein als die Ehrung des schillernden Weltstars, der heute für immer in seine Heimat zurückkehrt.