UNO beschließt Konzeptlosigkeit

■ Bosnien: Sicherheitsrat bleibt halbherzig/ Islamische Länder kritisieren UNO scharf

Berlin (ap/afp/taz) — Angesichts der halbherzigen Politik der Vereinten Nationen in Bosnien-Herzegowina beginnt es in der islamischen Welt zu grummeln. Denn die islamischen Länder fühlen sich zunehmend für das Schicksal der Muslimanen in Bosnien verantwortlich. Die Organisation der Islamischen Konferenz (OCI), in der 46 Staaten zusammengeschlossen sind, wies gestern den Bericht des UNO-Generalsekretärs Butros Ghali über Bosnien-Herzegowina scharf zurück. Die Vereinten Nationen dürften sich aus dem Konflikt nicht einfach zurückziehen.

Ghali hatte in einem Bericht über die Lage Bosniens am Mittwoch erklärt, dort seien die Bedingungen für eine Friedensmission der UNO nicht gegeben. Die Waffenstillstandsvereinbarungen würden nicht eingehalten. Eine militärische Unterstützung für humanitäre Hilfe lehnte Ghali ab. Außerdem äußerte er Zweifel, ob die UN-Mission für Kroatien erfolgreich sein werde.

Immerhin rang sich der Sicherheitsrat der UNO gestern dazu durch, in einer Resolution den Abzug der jugoslawischen Bundesarmee und auch der kroatischen Streitkräfte aus Bosnien-Herzegowina sowie die Entwaffnung der demobilisierten Einheiten zu fordern. Doch wie diese Forderung eigentlich durchgesetzt werden könnte, bleibt unklar. Ein weitergehender Antrag, der von den Sicherheitsratsmitgliedern Marokko und Ungarn eingebracht worden war, fiel dagegen durch. In diesem Antrag hatten die beiden Länder gefordert, Sanktionen auch mit militärischer Gewalt durchzusetzen.

Im Kampfgebiet selbst ist von einem Abflauen der Kämpfe nichts zu spüren. Während serbische Artillerie die Stadt Sarajevo weiterhin mit unterschiedlicher Intensität beschießt, versuchen muslimanische Truppen innerhalb der Stadt — zum Teil erfolgreich — an Terrain zu gewinnen. Dennoch sollen zwei muslimanische Stadtviertel schon in Schutt und Asche gelegt worden sein. Wegen der Schießereien konnten der indische Oberbefehlshaber der UNO-Truppen, Satish Nambiar, und sein Stab das Hauptquartier nicht verlassen.

In Mostar kam es nach serbischen Berichten zu erneuten Kämpfen zwischen Kroaten und Muslimanen. Denen zufolge sollen die Kroaten 70 Kämpfer der „Grünen Barette“ erschossen und weitere gefangengenommen haben. Mostar soll nach kroatischen Plänen einmal die Hauptstadt des kroatischen westlichen Herzegowina werden.

In Serbien dagegen gab es Runde- Tisch-Gespräche zwischen der Regierung und der Opposition, die sich um die für 31. Mai angekündigten Parlamentswahlen für den neuen Bundesstaat Jugoslawien (Serbien und Montenegro) drehen. Die Opposition verlangt die Verschiebung der Wahlen, Öffnung der Medien und die Verabschiedung eines Wahlgesetzes. Sonst werde sie die Wahlen boykottieren. Der wichtigste Oppositionspolitiker, Vuk Draskovic, nahm an den Gesprächen nicht teil. Offenbar hofft Milosevic darauf, daß die Gespräche einen atmosphärischen Wechsel in Serbien selbst bewirken. Plötzlich berichten die Medien über Kriegsgreuel, und Milosevic selbst sprach von einer Mitschuld der serbischen Kriegführung an den Verwüstungen.

Dennoch rief Vuk Draskovic zum Sturz der kommunistischen Regierung Serbiens auf, die den „blutigen und unehrenhaften“ Krieg unterstütze. Der Krieg habe die Städte Vukovar, Mostar und Sarajevo in „Hiroshimas“ verwandelt. Erich Rathfelder