Tippen für Ippen

Über den unauffällig expandierenden Zeitungskonzern des Dr. Dirk Ippen  ■ Von K.-F. Kassel&A. Schmidt

Das Zeitungsimperium des Dr. Dirk Ippen gehört zu den unauffälligen im Lande. „Wir reden nicht gern über uns“, sagt etwa der Regionalchef des Unternehmens, Hans-Jürgen Wentzke in Syke südlich von Bremen. „Man stellt uns in die völlig falsche Ecke, wenn man sagt, wir seien eine große Gruppe“, beschwört Verleger Ippen selbst den „Unterschied“ zu anderen Medienkonzernen. Aber Verlegerkollegen, ehemalige Angestellte und Beschäftigte kleiner Lokalzeitungen reagieren dennoch vorsichtig auf Fragen nach dem Pressekonzern. Bei dem heftigen Ausdehnungsdrang des Imperiums könnte man schließlich schon morgen von seinen Arbeitsplätzen abhängen.

Bekannt ist, daß der Verleger, dem Rationalisierung vor Auflagensteigerung geht, harte Sanierungen bevorzugt. Als zum Beispiel 1980 die „Beckersche Buchdruckerei“ in Uelzen der norddeutschen Filiale des Imperiums einverleibt wurde, halbierte er die Zahl der Beschäftigten. Beim 'Münchner Merkur‘, den er 1982 übernahm, kündigte er erst einmal einem Drittel der Belegschaft. Die Gewerkschaften zeihen ihn seit langem der CSU-Ausrichtung seiner Blätter sowie der Willkür gegenüber der Belegschaft. Für den Verleger sind das „Einzelfälle“. In dem einen oder anderen maroden Blatt habe man nach seinem Einstieg „etwas machen müssen“, sagt er. Aber im Unterschied zu anderen Konzernen habe er noch nie eine Zeitung dichtgemacht. In den Verlagen, an denen er beteiligt sei, gebe es Redakteure unterschiedlicher politischer Ausrichtung. Wo andere Verlage mit Donnerschlägen den Medienmarkt aufmischen, verändert Ippen im Stillen die Landschaft der vielen unabhängigen Lokalzeitungen. In Norddeutschland ist zwischen Hunte und Havel, zwischen Südbremen und Nordberlin Ippen-Land.

Großer Appetit auf kleine Blätter

1968 beginnt die Geschichte des Verlegers Ippen beim 'Westfälischen Anzeiger‘ in Hamm. Von dort aus wächst sein nordrhein-westfälisches Reich, kommen der 'Soester Anzeiger‘ und die 'Neue Iserlohner Presse‘ hinzu, um nur einige zu nennen. Nächstes Regionalzentrum ist die 'Kreiszeitung‘ in Syke, Südoldenburg, von wo aus die Verbreitung in der norddeutschen Tiefebene gesteuert wird. Die 'Offenbach Post‘ mit 56.000 Auflage wird dem Imperium ebenso einverleibt wie das 'Fehmarnsche Tageblatt‘ mit 2.500. Die höchste Einzelauflage erreichen die beiden Münchner Zeitungen 'Münchner Merkur‘ und 'tz‘ [nein, die taz doch nicht, d. s-in]. Die Gesamtauflage seiner Tageszeitungen wird mit 790.000 angegeben, zusammen mit Anzeigenblättern und Magazinen sollen es 1,5 Millionen sein.

Der Verleger mit dem großen Appetit auf kleine Happen bereitet seinen Einstieg in die Verlage kleiner Lokalzeitungen präzise vor. Was nach außen hin zufällig wirkt, ist in Wirklichkeit Ergebnis der Konzernstrategie. Dazu gehört das Abwarten. Nicht selten sind es die selbständigen Verleger kleiner Lokalzeitungen, die sich an den großen Kollegen wenden, weil sie von ihm die Fortsetzung ihrer Familientradition erhoffen. Hier war es ein fehlender Erbe, der den alten Verleger an die Seite von Ippen brachte, dort eine Scheidung. So kamen im Bereich Syke sechs Zeitungen zusammen, in Uelzen eine weitere und zuletzt, im Mai 1991, das 'Isernhagener Kreisblatt‘ in Wittingen an der früheren Zonengrenze. Störrisch erwies sich allein die Lüneburger Heide. Alle Versuche des Münchner Verlegers, die Lücke in seinem Verbreitungsgebiet zu schließen, schlugen bislang fehl. Das liegt unter anderem am Zusammenschluß der kleinen Zeitungen zum 'Niedersächsischen Tageblatt‘ ('nt‘), das sich in einer gemeinsamen Redaktion in Lüneburg ihren überregionalen Teil selbst machen.

Wie man sich näher kommt

Zu Ippens Strategie gehört auch, daß er Übernahmeangebote finanziell gut auspolstert. So bescheinigen Verlegerkollegen dem Lokalzeitungsimperium „fairen Umgang“. Zum Beispiel in Salzwedel in der Altmark. Dort hatten Ende 1989 Mitglieder des Neuen Forums die „Altmark Zeitung“ gegründet. An die benachbarte „Elbe-Jeetzel-Zeitung“ wandte man sich mit der Bitte um Umsterstützung. Aber die habe man leider nicht allein geben können, bedauerte 'EJZ‘-Verleger Köpper. Erst gemeinsam mit der Ippen-Zeitung aus Uelzen hätte man einsteigen können. Ein Jahr später mußte sich der Lüchower Verleger dennoch verabschieden. Ippen blieb. Mehr noch, durch die Übernahme der Lüchower Anteile beim Salzwedeler Verlag steigerte er den Anteil seiner Beckerschen Buchdruckerei GmbH & Co. KG Uelzen auf 90 Prozent der „Renner und Meinecke Zeitungsverlage GmbH und Co. KG“. Ein Vorgang, den die Gründerin Ulrike Meinecke in Salzwedel offenbar noch gar nicht bemerkt hat. Sie und ihr Kompagnon Renner hielten nach wie vor 51 Prozent, teilt sie auf Anfrage stolz mit. Dies gilt jedoch nur für die GmbH. Nächstes Ziel der Expansion in der ehemaligen DDR waren Oranienburg und Neuruppin nördlich von Berlin. Dabei kam die Städtepartnerschaft zwischen Hamm in Westfalen und Oranienburg gelegen. Dort, in Brandenburg, gibt es den Haushaltswarenhändler Merz, der die Rechte am Namen des 'Oranienburger Generalanzeigers‘ besitzt. Das Blatt war zwar bereits 1923 eingestellt worden. Aber am 19.April 1990 wurde es im Zuge der DDR- Wende erneut ins Leben gerufen. Merz und Ippen kamen sich näher. „Über die Partei“, wie es in den Büros des 'Generalanzeigers‘ heißt. Seit September 1990 erscheint das Gemeinschaftsprodukt nun täglich. In Wohncontainern gegenüber vom Oranienburger Schloß sind Redaktion und Technik untergebracht. Gedruckt wird die Gesamtauflage von 19.200 Stück in Berlin.

Eigentlich wollte der Konzern den Durchmarsch bis zur Oder und machte der Treuhand ein Angebot für den 'Nordkurier‘ in Neubrandenburg. Aber als der Zuschlag der Treuhand tatsächlich kam, zog Ippen zurück. Der Bauer-Verlag habe die Zeitung bereits auf Expansionskurs eingestellt. Die erforderlichen Investitionen seien zu hoch, das Blatt werde ihm zu groß. Ippen schlug den Zuspruch aus.

Die Ippen-Beteiligungen an den kleinen Zeitungsverlagen wird in der Konzernideologie als Garantie für den Erhalt der kleinen Lokalzeitungen verstanden. „Die Grundidee der Beteiligungen in Niedersachsen war es“, sagt Ippen, „zu verhindern, daß in den Zeiten der Pressekonzentration zwischen Hamburg und Hannover keine selbständige Zeitung mehr übrig bleibt.“ Viele Zeitungen würden ohne seine Beteiligung nicht mehr existieren. Alle Verlage, darauf legt Ippen-Vertreter Wentzke in Syke Wert, behielten ihre Selbständigkeit. Wie das aussehen kann, ist am Verlag der 'Altmark-Zeitung‘ abzulesen, wo sich die Gründungsverlegerin noch in der Illusion ihrer Mehrheit wiegt. Oft bleiben die alten Verlegerpersönlichkeiten im Verlag und sind dankbar für die Fortsetzung der Familientradition.

„Selbständig“ blieben neben den Verlagen auch die Redaktionen, behauptet Ippen-Geschäftsführer Wentzke, ein Hineinreden des Verlages in redaktionelle Dinge gebe es nicht. Das Beispiel der 'Altmark- Zeitung‘ liefert einen anderen Eindruck. In Salzwedel gab es ständige Versuche von Anzeigenabteilung und Vertrieb, der Redaktion Vorschriften über Veröffentlichungen zu machen. Weil man sich in den neuen Bundesländern unbeobachtet gefühlt habe, sei vom Verlag die Forderung nach Werbung im Text gekommen, berichtet ein Ehemaliger. Am 13.Juli 1990 protestierte die Redaktion schriftlich gegen den Versuch von seiten des Vertriebes, sie in seine Markterschließung einzuspannen.

Fairer Umgang unter Verlegern, Härte gegenüber den Angestellten, ein solches Bild über das Konzernkonzept entsteht bei den Aussagen von denen, die mit dem Konzern zu tun haben. Allerdings: Die „freundliche Übernehme“ ist auch gegenüber den Verlegerkollegen nur eine der vielen Möglichkeiten. In Lüchow, von Ippen-Produkten umgeben, registriert man bereits, daß die großen Konkurrenten aus der Nachbarschaft Anzeigen aus dem Bereich der kleinen EJZ abzugraben versuchen.

Die familiären Zufälle des Medienmarktes werden bei Ippen systematisch genutzt. In seiner Dissertation von 1967 beschreibt der Verleger die vielfältigen Möglichkeiten, die in der Gesellschaftsform der GmbH & Co. KG für den Einstieg in andere Verlage liegen. Dabei sei — so Ippen — vor allem an die Möglichkeiten zu denken, „Organe zu bestellen, die nicht Gesellschafter sind“. So könnte ein Geschäftsführer, lediglich durch die GmbH legitimiert, in Wirklichkeit das Unternehmen wie ein vollhaftender Gesellschafter leiten. „Die Möglichkeit, gesellschaftsfremde Geschäftsführer zu bestellen, ist besonders dann von Bedeutung, wenn in einer Familiengesellschaft noch kein geeigneter Nachfolger vorhanden ist, sondern ein Fremder die Unternehmensleitung für längere oder kürzere Zeit übernehmen muß“, schrieb Ippen in seiner Arbeit: das sind sie, die „Familiensachen“ über die Ippen seinen Konzern aufgebaut hat. „Alles großer Quatsch“, sagt Ippen zu solchen Zusammenhängen. Eine juristische Arbeit und die Tätigkeit als praktischer Unternehmer seien verschiedene Paar Schuhe.

Die Vielfalt der Lokalzeitungen, auf deren Existenz Medienpolitiker in Deutschland gerne hinweisen, wenn sie Qualitäten gegenüber anderen Ländern wie den USA oder England herauskehren wollen, ist seit Jahren in das Getriebe der Großen geraten. Der Wegfall der Grenze hat das Tempo der Aufteilung zwischen Ippen und Bauer, Madsack und 'FAZ‘ nur gesteigert. Ein System unabhängiger Kreiszeitungen wie im Westen wird es in den neuen Ländern gar nicht erst geben, meint Verleger Köpper von der 'Elbe-Jeetzel-Zeitung‘. „Die Konzentration ist nicht gut“, sagt er in Lüchow. Aber wenn schon, dann ist ihm Ippen als Nachbar und Kooperationspartner lieber als jeder andere. Über die Eigenständigkeit seines Blattes gibt er sich noch zuversichtlich. Aber bei vielen, nach außen hin selbständigen Lokalzeitungen ist nur noch der Titel traditionell. Hinter immer mehr kleinen Blättern verbirgt sich ein Großer, zum Beispiel Ippen. Köpper weiß da eigentlich nur noch eine Ausnahme: „Die Ostfriesen haben ihr Gebiet noch selbst im Griff.“