Zwischen Hoffnung und Perspektivlosigkeit

■ In Wildau, rund 20 Kilometer südlich von Berlin, wurde einst für die UdSSR produziert/ In der Schwermaschinenbau AG wird weiter entlassen/ Neue Perspektive für die Region durch Gewerbeparks und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen?

Wildau. In langen Reihen liegen auf dem Fabrikgelände massige und rostige Kurbelwellen, die für Lokomotiv- und Schiffsmotoren verwendet werden. Dazwischen Stahlplatten und Rohre. Manche sind schon mit Moos überwachsen. Pflanzengrün bedeckt auch die Fabrikhallen aus roten Klinkersteinen, denn der Efeu hat sich in den letzten Jahrzehnten offensichtlich ungestört hier emporranken können. Kein Wunder, denn die meisten Gebäude der Schwermaschinenbau-AG in Wildau sind fast hundert Jahre alt. Die Fabrik prägte einst nicht nur den 8.000 Einwohner zählenden Ort rund 20 Kilometer südlich von Berlin, sondern den gesamten Landkreis Königs Wusterhausen. »Vor 1989 war die Fabrik hier der größte Betrieb und damit strukturbestimmend für die ganze Region«, so beschreibt Siegfried Kurzer, der Betriebsratsvorsitzende des Werkes, die damaligen Verhältnisse. Mit relativ modernen Anlagen wurde für die Sowjetunion produziert: beispielsweise Blechbiegemaschinen, Adjustagen für den Bergbau und Kurbelwellen.

»Ein Staat im Staate« war die Fabrik zu DDR-Zeiten für den Bürgermeister von Wildau, Gerd Richter (SPD): »Die Kommune war im Prinzip materiell von diesem Betrieb abhängig. Denn es gab ja Zeiten, da war überhaupt nichts da. Der einzige, der Material, Fahrzeuge, Handwerker, Baumaterial, Energieressourcen usw. hatte, war der Betrieb.« Heute dagegen haben sich die Abhängigkeiten umgekehrt: Die Gemeinde muß dem Betrieb unter die Arme greifen. Wie für viele Betriebe der Ex-DDR war die Umstellung auf das westliche Wirtschaftssystem zu abrupt. Auch im ehemaligen VEB Schwermaschinenbau »Heinrich Rau« erfolgten Massenentlassungen. Im Sommer 1989 waren es noch 3.400 Beschäftigte, ein Jahr später hatten bereits 1.750 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verloren. Neue Entlassungen sieht nun das Sanierungskonzept der Treuhand vor: Bis Ende dieses Jahres soll die Belegschaft von derzeit 1.650 auf 1.000 Arbeiter reduziert werden.

»Doch dieses Mal wollen wir das neue Unternehmenskonzept genau prüfen«, versichert der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Vangerow. Bei den vorhergehenden Massenentlassungen sei »einfach prozentual rausgekündigt« worden. Arbeitsabläufe seien unterbrochen und somit die Produktion insgesamt gehemmt worden. Trotzdem rechnet die Interessenvertretung damit, daß eine Zustimmung für das neue Konzept inklusive Entlassungen letztendlich nicht verweigert werden kann. Und darum bereitet der Betriebsrat gegenwärtig mit viel Elan und mit Unterstützung der Geschäftsleitung die Gründung einer Arbeitsbeschaffungs-, Beschäftigungs- und Strukturentwicklungsgesellschaft (ABS) vor, um den erneuten Abbau aufzufangen. Als Gesellschafter soll auch die Kommune mit Kapital mit einsteigen.

An der Planung der ABS ist auch das Arbeitsamt in Königs Wusterhausen beteiligt. »Unter Federführung des Landratsamtes tagen wir wöchentlich«, erzählt Frau Paul, die Dienststellenleiterin. Drei Säulen soll die ABS haben: ABM-Stellen für kommunale Zwecke, Fortbildung und Umschulung und Strukturentwicklung. Aus der ABS sollen sich neue Strukturen entwickeln, vielleicht sogar kleine Unternehmen, beispielsweise im Umweltbereich. Kleine Teams von Ingenieuren könnten für Betriebe Umwelttechnologie (unter anderem Recyclingverfahren) entwickeln und anbieten.

Immerhin gibt es für die ABS mittlerweile schon zwei Geschäftsführer, die als Gründungsbeauftragte tätig sind.

Umschwung 1993?

Ganz neue Probleme könnten jedoch schon bald auf die Region zukommen. 1993, so glaubt Frau Paul, sei eine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt zu erwarten — trotz der derzeitigen Arbeitslosenquote von 18,3 Prozent. Sie befürchtet, daß die Bewerber dann nicht mehr die erforderliche Qualifikation vorweisen könnten. Viele seien »hier noch sehr zögerlich bei Umschulungsmaßnahmen. Und viele haben noch nicht begriffen, daß man jetzt selber viel tun muß, um auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können.«

Die Impulse für eine intensive Nachfrage nach Arbeitskräften im Hotel- und Gaststättengewerbe könnten zum einen von dem Tourismus-Konzept der Stadt Königs Wusterhausen ausgehen. Ein weiterer Bedarf an mehreren Berufsgruppen wird sicherlich von den rund sechs in der Region geplanten Gewerbeparks und Dienstleistungszentren ausgehen.

Gewerbeparks in Wildau

Auch in Wildau, im Stadtteil Hoherlehne, haben zwei derartige Großprojekte die Planungsphase schon überwunden, wird bereits Gelände erschlossen. Der Gewerbepark wurde von einem Privatinvestor initiiert. Schon im Sommer 1990 hatte die Düsseldorfer »SITAG- Grundbesitz AG« nordöstlich des Kreuzungspunktes des Berliner Rings ein 34 Hektar großes Gelände gekauft. Im Auftrag der »SITAG« vermietet die »Müller International Immobilien GmbH« aus Berlin die Flächen des Gewerbeparks Wildau an Investoren.

»Bei der Vermarktung wird ein idealer Firmenmix angestrebt«, so umschreibt Herr Lässig, diplomierter Finanzwirt und bei »Müller International« zuständig für Wildau, das Nutzungskonzept. Bis Ende 1996 sollen über 2.000 Arbeitsplätze in Klein- und mittelständischen Betrieben entstehen. Anhand eines Bauplanes, auf dem Produktionshallen, Grünflächen und ein kleiner See sowie ein Hotel aufgezeichnet sind, erläutert er, daß an eine Kombination aus 30 Prozent Produktionsstätten, 40 Prozent Lagerhaltung und 30 Prozent Büro gedacht ist. Voll Optimismus prognostiziert er, daß »der Park aufgrund der momentanen Nachfragesituation sofort gefüllt werden könnte«. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die »Gewerbemieten im Durchschnitt um fünf Mark billiger als in den Randbezirken von Berlin sind«.

Nicht minder zuversichtlich blickt Bürgermeister Richter in die Zukunft. Er und der kleinere Koalitionspartner »Neues Forum« haben die Initiative des Privatinvestors begrüßt. Besonders stolz ist man im Rathaus über ein Abkommen mit dem Investor. Darin wird festgelegt, daß beim Bau des Gewerbeparks ostdeutsche Unternehmen bei gleichem Angebot und entsprechendem Leistungsvermögen den Zuschlag vor der westdeutschen Konkurrenz erhalten. Als zweites Projekt ist gegenüber dem Gewerbepark ebenfalls von einem westdeutschen Investor noch ein Einkaufs- und Dienstleistungszentrum geplant. Hier sollen 400 bis 600 Arbeitsplätze entstehen. Auch hier hat die Gemeinde das Vorhaben unterstützt und mitgetragen.

Martin Jander/Stefan Lutz