»Damit haben wir nicht gerechnet«

■ Interview mit den »Geschwistern Pfister«, die als Shooting Stars der Berliner Theaterszene gehandelt werden und im Rahmen des Theatertreffens heute im Schiller Theater auftreten

In der Kassenhalle der Freien Volksbühne haben sie angefangen, die legendären »Geschwister Pfister« aus der Schweiz, mit Wohnsitz in Las Vegas, und schnell haben sie sich mit ihren Liedern fürs Gemüt in die Herzen der Berliner Theaterbesucher gesungen. Als Michael Merschmeier sie in seinem 'Theater Heute‘-Saisonbericht lobend erwähnte (»...herzzerreißend kitschig, herzzerreißend komisch«), war ihr Erfolg nicht mehr aufzuhalten. Nach einem langen Gastspiel im kleinen Saal der Berliner Schaubühne spielen sie ihr wunderbares Kleinkunst-Singspiel über das legendäre Schweizer Show-Quartett »Geschwister Pfister« nun im Rahmenprogramm des Theatertreffens.

taz: Seit 'Theater Heute‘ kursiert das Gerücht, ihr wärt auf dem 50. Geburtstag von Otto Sander entdeckt worden, so wie die Geschwister Pfister nach dem Tod ihrer Eltern vom lieben Onkel Bill aus Amerika entdeckt worden sind. Ist das eine weitere Pfister-Legende?

Christoph Marti: This is a true story! Das war wirklich unser erster Schritt. Wir haben damals mit Gerd Warmeling zusammen eine Nummer gemacht, und bei der Gelegenheit durften wir dann auch noch zwei eigene Nummern zeigen. Und das war's dann.

Lilia Naef: Na ja, nicht ganz so. Wir haben uns vor etwa einem Jahr zusammengetan und — damals noch ohne Ziel — einfach gesungen und Sachen ausprobiert...

Ihr kennt euch von der Schauspielschule in Bern...

Max Gertsch: Alle Gerüchte, die in 'Theater Heute‘ stehen stimmen...

Christoph: ...außer, daß Lilia nicht Lilian heißt. Das muß einmal öffentlich klargestellt werden, daß es sich hier um Lilia Naef handelt.

Lilia: Ja, dann haben wir einfach für uns gearbeitet und uns ein kleines Ziel gesteckt. Das Betriebsfest der Freien Volksbühne. Das war noch nicht sehr öffentlich. Und am gleichen Abend war dieser Geburtstag von Otto Sander, wo uns Gerd Warmeling mit eingeladen hatte. Das ging dann sehr gut und hat uns den Aufwind gegeben, weiterzumachen. Eigentlich wollten wir im August in der Schweiz Straßenmusik machen. Aber nach diesem Betriebsfest in der Volksbühne wurde uns angeboten, in der Kassenhalle zu spielen. Wir haben natürlich zugesagt und das Programm dafür noch gestrafft und konkretisiert.

Euer Programm wirkt sehr durchstrukturiert und durchdacht. Liegt das daran, daß ihr euch schon so lange kennt?

Tobias Bonn: Wir kennen uns jetzt schon seit acht Jahren. Die anderen drei waren nach der Schauspielschule gleich alle in Berlin engagiert. Ich bin nach zwei Jahren nachgekommen.

Max: Am Anfang gab es gar kein richtiges Programm. Da gab es ein paar Lieder — insgesamt sechs. Wir haben ausgemacht, wer welches ansagt. Daraus sind die Figuren und Situationen dann entstanden.

Christoph: Vor allem ist daraus auch die Geschichte entstanden. Wir hatten während der Proben oft Angst, weil wir lange gar nicht wußten, welche Geschichte wir denn erzählen wollten. Aber wir haben letztlich darauf vertraut, daß unsere Geschichte, unsere Figuren — alles, was wir tun — aus uns entstehen. Da hat sich kein Regisseur von unten eingemischt und gesagt, wie er es gerne hätte. Wir haben uns verpflichtet, miteinander umzugehen. So entsteht alles, was wir tun. Bis jetzt! Das ist anstrengend und gut.

Ihr seid alle vier ausgebildete Schauspieler, hattet Engagements an großen Häusern. Wie findet ihr das eigentlich, ausgerechnet mit einem Kleinkunst-Programm im Rahmenprogramm des Theatertreffens gelandet zu sein?

Alle: (lachen) Ja, damit haben wir wirklich nicht gerechnet!

Max: Wahrscheinlich sind wir deshalb dort gelandet, weil wir nicht damit gerechnet haben.

Tobias: Es ist schon ein schönes Gefühl. Aber es ist auch komisch, nun plötzlich so ganz anders behandelt zu werden — gerade von den Theater-Leuten, die deine Briefe oder Bewerbung sonst nicht einmal beantworten hätten, weil es eben hunderttausend arbeitslose Schauspieler gibt.

Christoph: Ich genieße den Erfolg und die Publicity, solange ich damit auf der Ebene umgehen kann, auf der ich es auch im Programm tue. Offenbar glauben uns die Leute die Geschichte, und offenbar glauben sie wirklich, wir sind Stars. Aber ich mag mich dem Erfolg nicht verpflichten.

Tobias: Wir machen auch jetzt nicht jede Talkshow, jeden Mist mit. Wir bestimmen immer noch selbst, was wir tun. Wir lassen uns da von keiner Promotion-Agentur reinreden. Und wir investieren jetzt auch nicht besonders in die »Geschwister Pfister«, um uns nicht festzulegen.

Gibt es denn schon Pläne für ein neues Programm?

Christoph: Ich denke, die Form wird die gleiche bleiben, daß wir singenderweise unsere Geschichte erzählen. Aber natürlich singen wir nicht immer die gleichen Lieder. Wir studieren laufend neue Nummern ein, und damit verändert sich auch automatisch die Geschichte.

Im Moment diskutieren wir, ob wir nicht auch mit anderen Medien arbeiten wollen. Wir haben inzwischen als »Geschwister Pfister« so viel erlebt und fotografiert und aufgeschrieben, daß man vielleicht einmal eine Ausstellung oder einen Film machen könnte.

Max: Lilo hat zum Beispiel gerade ein neues Projekt: Sie bereitet sich vor auf »Lilo Pfister liest ihre Fanpost«. Das findet dann irgendwann einmal im großen Saal der Schaubühne statt (alle lachen).

Bekommt ihr viel Fanpost?

Tobias: Oh, ja! Es gibt zum Beispiel seit kurzer Zeit einen Fanclub in Bielefeld. Dabei haben wir noch nie in Bielefeld gespielt.

Richtet ihr die »Lieder fürs Gemüt« jetzt für das Gastspiel im Schiller Theater anders ein? Ihr spielt da vor achthundert Leuten.

Christoph: Ach, das wird wohl eher »work in progress«. Das sehen wir, wenn wir auf der Bühne sind. Ich muß dazu sagen, daß ich die Bühne kenne. Ich war im Schiller Theater zwei Jahre lang engagiert. Für mich übrigens das Erfreulichste an diesem Auftritt, daß ich jetzt wieder auf die Bühne des Schiller Theaters zurückkehren werde. Mit etwas ganz eigenem, ohne Hilfe von außen. Das gibt einem ein gutes Gefühl.

Tobias: Überhaupt ist es so eine Art Genugtuung: Wo wir alle vier nie so richtig glücklich waren an den ganzen Theatern, die wir durchlitten haben, jetzt mit etwas wirklich eigenem, und ohne diese Millionensubventionen, Erfolg zu haben.

Die Geschwister Pfister — das Theaterwunder...

Christoph: Das hast du gesagt! Interview: Klaudia Brunst

Die Geschwister Pfister und ihre Lieder fürs Gemüt heute um 20 Uhr im Schiller Theater. Karten für 25 DM (erm. 20 DM) an der Abendkasse (noch nicht ausverkauft).