Waljas Augen

■ Fotoausstellung zum Rußlandfeldzug im Staatsarchiv

Zwei deutsche Landser, den Blick entschlossen in die russische Weite gerichtet, und doch spricht Skepsis aus ihren Mienen — die Gesichter junger Russen, bedrückt, ahnungsvoll hören sie die Radiodurchsage vom Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion. „Das Geheimnis der Versöhnung ist Erinnerung“, heißt eine Ausstellung, die dieser Tage im Staatsarchiv zu sehen ist. Die Friedensbibliothek und das Friedensmuseum der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg haben Fotos und Texte zum Krieg gegen die Sowjetunion zusammengetragen. Den Besucher erwartet ein eindringliches Plädoyer wider das Vergessen.

„26.6.41: Man freut sich auf Russland...; 1.7.: Rekord der Blitzsiege...; 26.7.: Wir haben von Russland die Schnauze gründlich voll.“ — Auszüge aus Briefen eines Landsers. Auf knapp gehaltenen Texttafeln werden die Fotos unterfüttert: Auszüge aus Feldpostbriefen, Zitate aus Hitler-Reden, Berichte an das Oberkommando, Tagebuchaufzeichnungen aus dem belagerten Leningrad — Blicke in den gähnenden Abgrund, der sich im Juni 41 auftat. Und doch, sind es die Fotos, die im Gedächtnis bleiben.

Kinder auf der Flucht, steifgefrorene Leichen im russischen Winter, zerschossene Städte und Dörfer, Massenhinrichtungen — und dann das schöne Gesicht der Soja Kosomodanskaja. Im Dezember 1941 war Soja gerade 18 Jahre alt. Das Leben ist nur noch zu erahnen. Den Kopf grotesk verdreht auf dem gebrochenen Hals, den tödlichen Strick noch einmal strammgezogen. Wie zum Beweis hat man Sojas totem Leib die Brüste entblößt, ihn in den Schnee geworfen und fotografiert. 'Man'. „Bisher ist es nicht ein einziges Mal gelungen, einen Fall von Befehlsnotstand nachzuweisen“, heißt es auf einer Tafel.

Dutzende von Fotos, die sich ins Gedächtnis brennen. Wer wissen möchte, was gewesen ist, findet eine Antwort in Wajas Augen. „Waja Baschlykowa war im Schnee vor Moskau fast erfroren; 1941“, steht unter dem Bild: ein kleines Mädchen sitzt auf einem schmutzigen Bett, ein schmächtiger, ausgemergelter, halb verhungerter Körper, die zerfrorenen Füße notdürftig mit Lappen umwickelt, aus einem kahlgeschorenen Kopf blicken zwei riesige schwarze Augen in die Kamera. Jochen Grabler

Bis zum 15. Juni im Staatsarchiv, Kennedyplatz; Montag - Mittwoch 9-16 Uhr, Donnerstag 9-20 Uhr, Freitag 9-15 Uhr