Mit Bürgersinn gegen Wassermangel

Frankreich im vierten Jahr der Trockenheit/ Ein Drittel versickert durch undichte Leitungen  ■ Aus Paris Bettina Kaps

Die seit 1988 anhaltende Trockenheit bereitet Frankreich Sorgen, doch die Probleme sind noch nicht groß genug, um einen heilsamen Schock zu bewirken: An der Wasserverschwendung der Franzosen dürften die „großen Maßnahmen“ wenig ändern, die die neue Umweltministerin Segolene Royal am Montag angekündigt hat. Im Fernsehen betonte sie, daß ihre Vorschriften keinesfalls „zwingend“ seien.

Maßnahme eins appelliert lediglich an „Bürgersinn und Solidarität“ der Franzosen — unbeeindruckt drehten viele auch an diesem Abend die Rasensprenger auf. Den Bauern redete die Ministerin ins Gewissen, sie könnten durch gezielte Bewässerung ein Drittel Wasser sparen.

Für die Bauern ist Brüssel der Sündenbock

In Frankreichs Kornkammer Beauce im Südwesten von Paris werden die riesigen Weizenfelder bereits seit April gesprengt; da die Bauern die Wasserabgabe nur nach Ackerfläche und nicht nach Verbrauch zahlen, lassen viele ihre Anlagen selbst in den heißen Mittagsstunden arbeiten. In Südfrankreich verschlingt der Maisanbau im Sommer 80 Prozent des gesamten Wasserverbrauchs — die dortigen Landwirte schieben die Verantwortung nach Brüssel: Die EG-Quoten verhinderten ein großangelegtes Ausweichen auf weniger durstige Kulturen wie etwa Sonnenblumen. Die bewässerten Anbauflächen haben sich in Frankreich seit den 70er Jahren vervierfacht, der Wasserverbrauch der Haushalte stieg um 20 Prozent. Doch in einem Land, wo Wasser jahrzehntelang als billige Selbstverständlichkeit betrachtet wurde, fällt die Umstellung schwer, solange sie nicht über das Portemonnaie spürbar wird. Seit Januar haben die Präfekten freie Hand, den Wasserverbrauch einzuschränken; bislang wurde lediglich in sechs Departements in der Normandie und im Zentrum von Frankreich Rasensprengen, Autowaschen und das Füllen von Schwimmbädern unter Androhung von Strafen bis zu 1.800 Mark verboten. Dabei wäre auch anderswo entschiedene Sparsamkeit nötig, denn der vergangene, extrem trockene Winter hat die Wasserprobleme im ganzen Land (nur unter Ausnahme der an die Schweiz grenzenden Franche Comte) verschärft.

Die Niederschläge reichten nicht aus, um die Grundwasserspiegel anzuheben — was nicht verdunstete, wurde restlos von Pflanzen aufgesaugt. Schon vor Sommeranfang sind viele kleinere Wasserläufe eingetrocknet. Erhebliche Probleme hat die Loire, der Spiegel der in Bordeaux mündenden Garonne liegt ein Drittel unter Normalstand, die Charente im Südwesten führt nur noch ein Zehntel ihrer normalen Wassermenge. Bereits seit vier Jahren gelangt das Süßwasser nicht mehr bis in die Flußmündungen am Atlantik, dadurch ging die Austernproduktion um ein Drittel zurück; Muscheln wird es dort in diesem Jahr überhaupt nicht geben.

Eine Kommission soll jetzt nachdenken

Selbst in grünen Mittelgebirgen wie der Auvergne, wo bisher reichlich Quellen sprudelten, machen sich die Verantwortlichen inzwischen große Sorgen: „Die Lage im Departement Puy-de-Dome ist vergleichbar mit der im Süden der Sahara“, heißt es tatsächlich in der Präfektur, „nur daß die Leute dort 30 Liter pro Tag verbrauchen, während wir täglich 300 Liter konsumieren...“ Eine Kommission soll jetzt mal „nachdenken“, was zu tun ist. Nach Informationen des Umweltministeriums hat der Wassermangel in der Bretagne bereits zu Problemen bei der Wasserqualität geführt. Durch die Sommerhitze werden auch anderswo erhöhte Konzentrationen von Nitrat und Pestiziden im Wasser erwartet.

Die Umweltministerin versprach, daß die Präfekten im Notfall — wie schon in den vergangenen Jahren — Wasser aus den Talsperren der Elektrizitätswerke ablassen würden, denn die meisten Staubecken seien noch „korrekt“ gefüllt. Die Wasseragenturen des Landes haben einen Kredit über 10 Milliarden Mark erhalten. Das Geld sollen sie zum Schutz der Flüsse, Fische und der Landschaft einsetzen, vor allem aber zur Sanierung des Wasserverteilungsnetzes. Die Röhren sind derart abgenutzt und undicht, daß ein Drittel des transportierten Wassers versickert. Aufs Sparen allein mag sich das Umweltministerium jedoch nicht verlassen: Es fördert auch die Suche nach tiefen Grundwasservorkommen, die noch ausgeschlachtet werden könnten.