PORTRÄT
: Thailands Mahatma Gandhi

■ Chamlong Srimuang, ehemaliger Gouverneur von Bangkok, ist der Hoffnungsträger der demokratischen Opposition

Er trug wie üblich ein schlichtes blaues Hemd, die traditionelle Kleidung der thailändischen Bauern, als er vorgestern in der Rajdamnern Avenue im Zentrum von Bangkok in Handschellen von Soldaten abgeführt wurde. Chamlong Srimuang war schon vor seiner Verhaftung (siehe nebenstehendes Bild) zum Hoffnungsträger und zur Symbolfigur der Demokratie-Bewegung in Thailand geworden, denn er ist in der politischen Klasse des südostasiatischen Landes eine eher außergewöhnliche Figur: Chamlong ist nicht korrupt.

Während Thai-Politiker gewöhnlich ihre oft mit Stimmenkauf erworbenen Ämter dazu nutzen, ihre Nummernkonten in der Schweiz aufzufüllen, verkörpert der 56 Jahre alte strenggläubige Buddhist eine radikale Alternative für eine halbfeudale Gesellschaft, deren Moral während des rasanten Wirtschaftsbooms verkommen ist.

Wie nahezu alle thailändischen Politiker absolvierte Chamlong Srimuang zunächst eine militärische Laufbahn, obgleich er seine Abschlußprüfung erst mit Verspätung machen konnte, weil er es gewagt hatte, Korruption und Mißmanagement in der Militärakademie zu kritisieren. Im Jahre 1985 verließ er im Rang eines Generalmajors die Streitkräfte und kandidierte als Governeur der Hauptstadt. Ohne Unterstützung einer Partei errang er einen Überraschungssieg.

Chamlong reorganisierte alsbald tatkräftig die ineffiziente und bestechliche Stadtverwaltung und räumte auch Bangkok buchstäblich auf, indem er die Acht-Millionen- Metropole aus einer müllübersäten Megapolis in eine moderne Boomtown verwandelte. Seine Rivalen belächelten zunächst seinen buddhistischen Fundamentalismus — er ißt kein Fleisch, schläft nicht mit seiner Ehefrau und wäscht sich ohne Seife. Doch gerade bei den kleinen Leuten in Bangkok wurde er immer populärer.

Im Januar 1990 bestätigten ihn die wahlberechtigten Bürger und Bürgerinnen der Hauptstadt mit über 80 Prozent der Stimmen im Amt. Noch erfolgreicher war Chamlong mit seiner Palang Dharma Phak bei den Parlamentswahlen am 22. Mai diesen Jahres. Die Partei mit dem Namen „Kraft des Geistes“ erzielte in Bangkok 35 der insgesamt 38 Sitze.

Nach den Blutnächten von Bangkok ist er für viele Thais zu einem Mahatma Gandhi des „Landes der Freien“ geworden, zu einem Mann, auf dem alle Hoffnungen ruhen, die Macht der Militärs ein für allemal zu brechen. Michael Sontheimer