Mit Demagogie in die Bezirke

■ Die rechte Szene ist in Berlin zersplittert/ Beste Aussichten haben die »Republikaner« / Mit Provokationen kommt das Wahlbündnis »Die Nationalen« in die Schlagzeilen/ Vereint gegen Ausländer

Berlin. »Das Asylantenproblem brauchen wir gar nicht mehr groß ansprechen — die Leute wissen, was wir darüber denken.« Hermann Voss, stellvertretender Bundesvorsitzender der »Republikaner« und Spitzenkandidat seiner Partei in Charlottenburg, gibt sich selbstbewußt. Seit 1989 sitzen Verordnete der REPs — mit Ausnahme von Zehlendorf — in den West-Bezirken. Nun versuchen sie den Sprung in alle 23 kommunalen Parlamente. Nach den jüngsten Erfolgen bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg erwartet Voss daher in Berlin je nach Bezirk zwischen »5 und 20 Prozent«.

170.000 Mark sind nach Angaben der rechtsextremen Partei in den Bezirkswahlkampf geflossen. Nicht nur äußerlich, sondern auch inhaltlich nehmen sich ihre Wahlplakate mit dem Slogan »Jetzt — REPs« eher zurückhaltend aus. Auch Voss klingt wie der Sprecher einer Öko-Partei, wenn er »auf absehbare Zeit« die Schließung der Flughäfen Tegel und Tempelhof wegen Lärmbelästigung fordert, gegen die »Vernichtung von Kleingärten« wettert und mehr Personal in den Kindertagesstätten einklagt. Ein Blick in das Berliner Wahlprogramm ist da weitaus lehrreicher: Neben dem Ruf nach »law and order« werden vor allem nationale Vorurteile bemüht: Visapflicht für Polen, Einstellung nur noch deutscher Arbeitnehmer und bevorzugte Entlassung von Ausländern, eine Hauptstadtzulage nur für Deutsche, Streichung der Sozialhilfe für abgeschobene Asylbewerber, Polen, andere Osteuropäer und »Arbeitsunwillige unter 40 Jahren« und die Rückführung von 50 Prozent aller Ausländer binnen fünf Jahren — um nur einige Punkte zu nennen. Mit solchen Slogans scheinen die REPs auf Erfolgskurs zu sein. Nach ihrer Krise im Oktober 1991, bei der Carsten Pagel als Landesvorsitzender austrat und damit einen Aderlaß verursachte, hat sich die Partei wieder gefangen. Nach eigenen Angaben zählt der Landesverband mittlerweile 1.350 Mitglieder, davon allein 400 in Ost- Berlin. Woche für Woche gebe es »50 bis 60 Neueintritte«, behauptet Voss. Das sei »ein Zeichen dafür, daß bei uns eine Reinigung praktisch vollzogen wurde«. Getrennt habe man sich von den Kräften, die sich »nicht für die eine noch andere Sache klar entscheiden konnten«. Gemeint sind damit vor allem jene ehemaligen REPs, die nach ihrem Austritt im Oktober 1991 die »Deutsche Liga für Volk und Heimat« (DL) gründeten. Mit ihnen will Voss »nichts zu tun haben, denn sie schaden der deutschen Sache, so wie wir sie verstehen«.

Schon kurz nach ihrer Entstehung schmiedete die DL zusammen mit anderen rechtsextremen Gruppierungen, darunter die NPD, die »Nationale Alternative« (NA) und einzelne DSU- und »Republikaner«- Mitglieder, die »Wählergemeinschaft: Wir sind das Volk!«. Vor den Kommunalwahlen tauften sie sich flugs in »Die Nationalen« um und treten nun in neun Bezirken an.

Erstmals kam die Wählergemeinschaft Anfang April in die Schlagzeilen, als ihr Tempelhofer Kandidat Gerhard Kaindl in einem Kreuzberger Lokal von Unbekannten erstochen wurde. Mit Provokationen wie der Kundgebung am 9. Mai vor dem Kapitulationsmuseum in Karlshorst oder einer Mahnwache vor der Jüdischen Gemeinde, die beide verboten wurden, organisierten die »Nationalen« medienwirksam ihren Wahlkampf.

Frank Schwerdt, früher stellvertretender Landesvorsitzender der REPs und heute einer der Sprecher des Bündnisses, setzt hauptsächlich auf enttäuschte REP-Wähler. Schönhuber und der REP-Führung wirft er vor, »immer mehr einen Schmusekurs Richtung CDU« zu fahren. Schönhuber, so heißt es in der Wahlzeitung 'Nationale Nachrichten‘, wolle »das nationale Wählerpotential« bewußt zu einer Partei umleiten, die »den Etablierten nicht gefährlich« werden könne. Für Schwerdt macht Schönhuber darüber hinaus die REPs in »Struktur und Programm von den Behörden abhängig«, indem er sich ständig von früheren Aussagen distanziere. »Uns ist es hingegen egal, ob wir im Verfassungsschutzbericht auftauchen«, betont Schwerdt.

In ihrem Programm wimmelt es folglich vor völkischen und biologistischen Begriffen: Der »gesellschaftliche Niedergang« werde durch »Rassen und Sozialkonflikte« verursacht, und den »Heranwachsenden« solle ein »nationales Volksbewußtsein« vermittelt werden. Fehlen darf natürlich auch nicht die Forderung nach einer »öffentlichen Revision« der bisherigen Geschichtsschreibung, die durch »einseitige Siegerideologien« beeinflußt worden sei.

Gute Kontakte pflegen die »Nationalen« auch zur »Freiheitlich-Deutschen Arbeiterpartei« (FAP). »Anfangs war die FAP auch bei uns, sprang aber kurzfristig ab und macht nun ihren eigenen Wahlkampf«, erzählt Schwerdt. Die FAP, die am 1.Mai am Ernst-Thälmann-Park eine Kundgebung unter den Steinwürfen von Gegendemonstranten abbrechen mußte, tritt nur in Prenzlauer Berg an.

Etwas in den Hintergrund getreten sind zwei weitere rechte Gruppierungen: In Hohenschönhausen geht die »Nationalistische Front« (NF) auf Stimmenfang, in Tiergarten »Die Bürger — die national-liberale Partei für Deutschland«. Im lokalen Bereich eher unbekannt, fiel die NF auf Bundesebene durch ihren Vorsitzenden Meinolf Schönborn auf. Gegen ihn und andere Mitkämpfer wurde ein Ermittlungsverfahren nach Paragraph 129a StGB eingeleitet: Verdacht auf Gründung einer terroristischen Vereinigung.

»Die Bürger« waren personell offenbar so schwach, daß sie ihre ursprünglich angekündigte Kandidatur in Spandau wieder zurückzogen. So belästigten sie in den letzten Wochen allein Haushalte in Tiergarten mit ihren Flugblättern. Eine der Forderungen: »Mehr Sauberkeit auf unseren Straßen«.

Ob diese kleineren rechtsextremistischen Parteien und Wahlbündnisse dem größeren Bruder »Republikaner« gefährlich werden können, wird der kommende Sonntag zeigen. Schwerdt von den »Nationalen« hat schon jetzt böse Vorahnungen: »Uns könnte das gleiche wie in Baden- Württemberg passieren, wo wir mit der ‘Deutschen Liga‚ kandidiert haben und schließlich die REPs die Stimmen einfuhren.« Severin Weiland